Handyman Jack 07 - Todessumpf
dreihundertsechzig Grad. Bei all dem Schilf und dem hohen Gras ringsum hatte sich der Alligator praktisch überall verstecken können.
Jetzt konnte er nachvollziehen, wie Käpt’n Hook sich gefühlt haben musste.
»Wie groß genau?«
»Dem Durchmesser dieser Abdrücke nach zu urteilen würde ich schätzen, sechs Meter lang, wenn nicht noch länger.«
Jack hatte keinerlei Vorstellung, woher sie das wissen konnte, verzichtete jedoch darauf, seine Zweifel kundzutun. Diese Lady wusste verdammt viel über Florida.
»Mehr als sechs Meter? Dann sollten wir lieber zusehen, schnellstens wieder in den Wagen zu steigen.«
»Kein Grund zur Sorge. Diese Spuren sind ziemlich alt. Sehen Sie, wie trocken der Morast an den Rändern ist? Wahrscheinlich wurden die Abdrücke schon vor ein paar Tagen hinterlassen.«
»Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die Bestie nicht doch in nächster Nähe aufhält.«
Der winzige Chihuahua war mittlerweile in den Graben gesprungen und beschnüffelte die Abdrücke. Er schien nicht die geringste Angst zu haben. Jack erwartete fast, dass er anfing, die Bestie anzulocken. Komm her, Alli, komm zu mir, hier hin ich …
Jacks rechte Hand wanderte wie von selbst nach hinten zu seinem Rücken, wo seine kleine AMT in ihrem Holster unter dem T-Shirt steckte. Er fragte sich, ob ein .38er Frangible-Geschoss einen Alligator von dieser Größe aufhalten könnte. Wahrscheinlich würden sie auf seinem Schädel zu Pulver zerbröselt. Doch er hatte die Frangibles gegen FMJs ausgetauscht. Die würden wahrscheinlich einigen Schaden anrichten.
»Wie dem auch sei, ich habe gesehen, was ich sehen wollte.«
»Und das war?«
»Nichts Spezielles. Ich hatte eigentlich nur mal herkommen und mir ansehen wollen, wo es passiert ist.«
Auf was hatte er gehofft? Auf einen Hinweis, der das ganze Rätsel auf einen Schlag aufgelöst hätte, wie man es oft im Kino sehen kann? Genau den hatte er aber nicht gefunden. Er würde ihn auch nicht finden. Der ganze Vorfall war nichts anderes als ein Unfall gewesen.
Aber dennoch … er hätte nur zu gerne gewusst, wer am frühen Dienstagmorgen in einem großen, schweren Fahrzeug auf der South Road aus den Sümpfen herausgefahren war.
Wieder am Wagen spielte Jack den perfekten Gentleman und hielt für Anya – und Oyv – die Tür auf, damit sie es sich in aller Ruhe auf dem Beifahrersitz bequem machen konnte, dann ging er um den Wagen herum. Dem Augenschein nach wollte er sich hinters Lenkrad setzen, aber in Gedanken war er meilenweit entfernt und dachte an Riesenalligatoren und schweres fahrbares Gerät. Er griff nach der Türklinke, als Oyv plötzlich wieder bellte. Jack blickte hoch und sah einen roten Kleinlaster auf sich zurasen – er hatte es ohne Zweifel auf ihn abgesehen.
Er hatte keine Zeit mehr, in den Wagen zu hechten, daher warf er sich rücklings auf die Motorhaube und riss die Füße hoch und in Sicherheit, während der Truck haarscharf an dem Buick vorbeiwischte.
Jacks Herz hämmerte. Dieser Hurensohn hätte ihn fast …
Der Truck … ein alter roter Pick-up, den er schon mal gesehen hatte. Jack konnte nicht erkennen, wer den Wagen lenkte, aber er hätte wetten können, dass der Typ keine Schönheit war. In der Staubwolke, die der Truck aufgewirbelt hatte, immer noch hustend, riss Jack die Tür auf und schwang sich hinein.
»Was war das denn?«, fragte Anya, während Oyv nicht aufhören wollte zu bellen.
Vielen Dank, kleiner Freund, dachte Jack. Bell so viel du willst.
»Das war ein ganz klarer Versuch, mich zu überfahren!«
Er ließ den Motor an, gab Gas, dass die Räder durchdrehten, und machte sich an die Verfolgung.
Anya musterte ihn besorgt von der Seite. »Was haben Sie vor?«
»Ich werde in diverse Hintern treten und nach Namen fragen – und zwar in dieser Reihenfolge.«
Die falsche Krankenschwester im Zimmer seines Vaters gestern war in diesem Kleinlaster vom Krankenhaus weggefahren, und jetzt hatte derselbe Truck versucht, ihn über den Haufen zu fahren. Er war – ohne sich selbst zu zerlegen – nicht groß und schwer genug, um einen solchen Schaden zu verursachen, wie ihn der Grand Marquis seines Vaters abbekommen hatte. Aber er stand mit dem Unfall in Verbindung. O ja. Ganz gewiss.
Jack folgte der Staubwolke des Pick-up die Pemberton Road entlang. Er holte auf, als der Pick-up plötzlich bremste und scharf nach rechts abbog. Jack brachte den Buick schleudernd zum Stehen und hätte die Abzweigung beinahe verfehlt. Er lenkte den
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