Handyman Jack 07 - Todessumpf
Augenblick sah Tom etwas an seiner rechten Flanke herabbaumeln. Er blinzelte im schwindenden Tageslicht und bemerkte, dass es sich um ein zusätzliches Bein handelte. Doch es sah aus, als wäre es verkümmert. Es bewegte sich nicht und berührte auch nicht den Erdboden. Es hing einfach dort.
Noch während Tom nach einer Erklärung für diese Erscheinung suchte, machte der Alligator kehrt und versuchte sein Glück in der anderen Richtung. Tom gewahrte an seiner linken Flanke ein weiteres rudimentäres Bein. Aber weitaus rätselhafter war sein offensichtliches Unvermögen, Anyas von der allgemeinen Dürre verschonten Rasen zu betreten. Das ergab alles keinen Sinn.
Und dann fiel ihm ein, dass diese Situation vielleicht nur vorübergehenden Charakter haben könnte. Wenn er doch nur eine Schusswaffe hätte!
»Ruft die Polizei!«, brüllte er. »Oder den Sicherheitsdienst! Irgendjemanden, um diese Bestie zu verscheuchen oder abzuschießen, ehe sie jemanden umbringt!«
»Nicht nötig«, ließ sich Anya aus ihrem Liegestuhl vernehmen. »Der Störenfried wird gleich verschwinden.«
Der Alligator stoppte seine Suche und bellte heiser. Er schüttelte wieder den Kopf und schwenkte den Schwanz hin und her. Er schien verwirrt zu sein. Er bellte noch einmal, und diesmal klang es, als hätte er starke Schmerzen. Dann ließ er sich auf die Seite kippen, rollte sich weiter auf den Rücken, schüttelte den mächtigen Schädel, peitschte mit dem Schwanz den Erdboden und ruderte mit den klauenbewehrten Füßen in der Luft.
Mit einem weiteren heiseren Bellen wälzte er sich zurück auf die Füße, machte aber keinerlei Anstalten anzugreifen. Stattdessen kehrte er schwerfällig um und begann einen humpelnden Rückzug zum Teich. Dabei bemerkte Tom eine etwa faustgroße Ausbuchtung in seiner linken Flanke, kurz vor dem rudimentären Bein. Eigentlich war es weniger eine Ausbuchtung als ein Pulsieren.
Der Alligator brüllte gequält, während die Wölbung aufplatzte, so dass sich ein Schwall Blut über die graugrüne Schuppenhaut ergoss. Etwas bewegte sich in der Öffnung, etwas Rotes mit einer Schnauze. Die Haut riss weiter, die Öffnung vergrößerte sich und …
»Heiliger Bimbam!«, rief Jack aus. »Das ist Oyv!«
Gütiger Gott, er irrte sich nicht! Der kleine Chihuahua fraß sich regelrecht aus dem Alligator heraus in die Freiheit. Er zwängte sich durch die Öffnung wie ein Baby, das gerade zur Welt kam. Sobald die vordere Körperhälfte aus der Öffnung ragte, rutschte auch sein restlicher Körper heraus. Der Hund landete auf allen vieren und schüttelte sich, dann bellte er den zurückweichenden Alligator an, trieb ihn vor sich her und schnappte nach seinem Schwanz, bis er ins Wasser glitt und verschwand.
Der Hund folgte ihm, tauchte den Kopf mehrmals ins Wasser, während er in einem kleinen Kreis herumpaddelte und dann auftauchte, nachdem das Blut aus seinem Fell herausgewaschen worden war. Er gelangte aufs Trockene, schüttelte das Wasser mit einer beinahe epileptisch anmutenden Bewegung ab. Dann trottete er zu Anya zurück. Er wedelte mit dem Schwanz, hielt den Kopf hoch erhoben. Seine kleinen schwarzen Augen glänzten, offensichtlich war er stolz und mit sich selbst höchst zufrieden.
»Guter Junge«, sagte Anya und klopfte mit der flachen Hand auf ihren Schoß. »Komm her.«
»Was?« Jack brach in Gelächter aus, und Tom glaubte einen hysterischen Unterton in seiner Stimme zu hören. »Was zum …? Das ist unmöglich! Einfach …« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab: » …unfassbar.«
Jack drehte sich um und sah Anya an, die seinen Blick erwiderte. Tom hätte sich am liebsten erkundigt, was da zwischen ihnen beiden geschah, aber er brachte keinen Ton über die Lippen. Er musste sich hinsetzen. Schnell richtete er seinen Liegestuhl wieder auf und ließ sich hineinfallen. Krampfhaft schnappte er nach Luft, als hätte er Angst zu ersticken.
Jetzt erinnerte er sich, wo er den gehörnten Alligator schon einmal gesehen hatte.
12
Semelee ließ die Augenmuschel fallen und stürzte zu Boden. Dabei hielt sie sich die linke Seite. Sie hatte das Gefühl, als hätte jemand sie zur Hälfte mit einem Speer durchbohrt. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie einen derartigen Schmerz verspürt.
»Es tut weh, Luke. O Gott, es tut so schrecklich weh!«
Er beugte sich über sie, streckte die Hände nach ihr aus, dann zog er sie behutsam zurück. »Was ist passiert? Ist etwas schief gegangen?«
»Ich weiß es
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