Handyman Jack 08 - Der schwarze Prophet
College, als er den Globus zum ersten Mal gesehen hatte. Damals hatte er nur in seiner Phantasie existiert. Er war Studienanfänger gewesen, das erste Mal in den achtzehn Jahren seines Lebens fern von seinem strengen schottischamerikanischen Zuhause, und er genoss den Sex, den Rock’n’Roll und die Drogen der frühen siebziger Jahre in vollen Zügen. Er hatte zum ersten Mal LSD genommen, wobei ihn zwei erfahrene Typen durch seinen Trip begleiteten – als der Globus erschien. Er schwebte mitten im Raum und drehte sich. Brady erinnerte sich daran, wie er die anderen darauf aufmerksam machte, aber er blieb der Einzige, der die Erscheinung sehen konnte.
Es war kein Globus wie aus einem Katalog für Lehrmittel, sondern eine ramponierte, fleckige Kugel mit braunen, vergifteten Ozeanen und Wolken stinkender Chemikalien, die das Land verdunkelten.
Lange betrachtete er diese Erscheinung, und nach einiger Zeit begannen auf allen Kontinenten und Ozeanen rote Punkte zu leuchten, und dann erschienen rote Linien, verbanden die roten Leuchtpunkte miteinander und schufen so ein den Globus umspannendes Netzwerk aus roten Fäden. Und dann entstanden an einigen Kreuzungspunkten dieser Linien schwarze Kreise. Kurz darauf färbten die schwarzen Kreise sich weiß und begannen ebenfalls zu leuchten. Das Leuchten wechselte zwischen Rot und Weiß. Die Erdkugel schien zu pulsieren, bis sie plötzlich explodierte, doch die Bruchstücke sammelten sich wieder und formten sich zu einer neuen Welt mit fruchtbaren grünen Kontinenten und unberührten blauen Ozeanen.
Diese Vision veränderte Luthers Leben. Nicht sofort, nicht in dieser Nacht, aber doch in den Wochen und Monaten danach, als sie immer wieder nachts zurückkehrte, und zwar mit oder ohne chemische »Unterstützung«.
Zuerst erfüllte ihn das mit einem gewissen Unbehagen, da er annahm, es sei ein besonders hartnäckiger Flashback und er habe sich endgültig den Geist ruiniert. Doch nach einer Weile gewöhnte er sich daran. Die Vision wurde zu einem festen Bestandteil seiner Existenz.
Er war jedoch zutiefst entsetzt, als er zum ersten Mal die Stimme hörte. Niemals wenn er wach war, sondern nur im Schlaf – und auch dann nur während der Vision. Jetzt glaubte er, schizophren geworden zu sein.
Zuerst war da ein undeutliches Murmeln – eindeutig eine Stimme, doch er konnte kein Wort verstehen.
Nach und nach wurde sie lauter und das Murmeln entwickelte sich zu verständlicher Sprache. Aber obgleich er die einzelnen Worte verstehen konnte, schien keinerlei Zusammenhang zwischen ihnen zu bestehen. Sie ergaben keinen Sinn.
Auch das änderte sich, und in seinem letzten Studienjahr verstand er plötzlich, dass es dieser Welt, dem Untergrund, auf dem er stand, bestimmt war, sich zu verändern und mit einer Schwesterwelt in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum zu verschmelzen. All jene, die mithalfen, diesen Verschmelzungsprozess zu beschleunigen, würden die Umwandlung des vergifteten Planeten zu einem Paradies überleben. Die restliche Menschheit würde jedoch auf der Strecke bleiben. Die Stimme wies ihn an, die durch die weißen Lichter gekennzeichneten Orte aufzusuchen, dort Land zu erwerben und zu warten.
Er sollte Land kaufen? Grundstücke? Er war Student und praktisch mittellos. Die Stimme sagte nicht, wie er das bewerkstelligen konnte, machte ihm jedoch klar, dass sein zukünftiges Wohlergehen davon abhinge.
Und dann, kurz nach Abschluss seines Studiums, kam ein Buch bei ihm an. Er fand es auf dem Bett in dem Apartment, das er gemietet hatte. Kein Absender, kein Hinweis, von wem es kam … nur dieses seltsame dicke Buch. Es sah uralt aus, es trug aber einen englischen Titel: Das Kompendium von Srem.
Auch der Text war englisch. Er las darin.
Mit der Ankunft des Buchs verstummte auch die Stimme. Und die Lektüre veränderte sein Leben.
Am Ende all der seltsamen und wundersamen Legenden, die das Kompendium enthielt, fand er eine erstaunlich lebendig wirkende Zeichnung des Globus aus seiner Vision. Der zur Illustration gehörende Text erklärte ausführlich das Opus Omega.
Und dann verstand er endlich seinen Traum und wusste, welche Wendung er seinem Leben geben musste.
Also machte sich Luther auf die Suche nach Bauplätzen. Mittlerweile hatte er den Globus so oft gesehen, dass er sich jedes Detail in Gedanken vorstellen konnte. Er fand diese Orte – zumindest einige – und stellte erstaunliche Gemeinsamkeiten fest, als er sich nach den Eigentumsverhältnissen erkundigte:
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