Handyman Jack 09 - Das Höllenwrack
legte den Handrücken gegen die Stirn. »Es wird sicher anstrengend, aber ich denke, ich werde mich schon irgendwie durchwursteln.«
»Okay, okay. Er wohnt hier.« Er sah sie versonnen an. »Habe ich dir in letzter Zeit eigentlich gesagt, dass du wunderbar bist?«
Sie reagierte mit ihrem ganz besonderen Lächeln. »Nein. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.«
Zärtlich drückte er ihre Hand. »Du bist wunderbar.«
2
Tom unterdrückte ein aufkommendes Gefühl der Beklemmung, während er in Richtung Gepäckausgabe ging. Der Flug war wunderbar gewesen, die Stewardessen waren hübsch, die Verpflegung … nun, essbar. Wenn dies Miami International gewesen wäre, hätte er sich wohlgefühlt. Dort fand er sich blind zurecht. Aber er war noch nie in La Guardia gewesen.
Er vermutete, es kam daher, dass man alt wurde. Man legte zunehmend Wert darauf, dass alles angenehm und vertraut war, und reagierte verwirrt auf alles, was neu und anders schien. Aber ein wesentlicher Grund war Jacks verdammte Heimlichtuerei. Er hatte zwar gesagt, er würde ihn an der Gepäckausgabe erwarten, aber wenn er es nun vergessen hatte? Oder wenn er in einem Verkehrsstau steckte oder durch irgendetwas aufgehalten wurde? Tom hatte nichts dagegen, ein Taxi zu nehmen, aber wohin? Er kannte Jacks Adresse nicht. Sicher, er hatte eine Postadresse, aber dort wohnte sein Sohn ja nicht.
Bleib ganz ruhig, sagte er sich. Du siehst Probleme, wo keine sind. Du hast ein Mobiltelefon und kennst seine Nummer.
Eine Gruppe von bärtigen Männern mit schwarzen Hüten oder Jarmulkes und Frauen mit Perücken und in langärmeligen Kleidern befand sich vor ihm. Diese an die fünfzig orthodoxen Juden – er hatte gehört, wie jemand meinte, es seien Chassidim – hatten die hintere Hälfte der Flugzeugkabine besetzt. Tom fragte sich, was sie wohl alle in Miami gemacht hatten. Keiner von ihnen schien auch nur einen Sonnenstrahl abbekommen zu haben.
Er erreichte das Ende der Treppe und folgte der Gruppe durch einen kurzen Korridor, der in der Gepäckausgabe endete. Dort fand er eine Schar erwartungsvoller Gesichter, die einen dichten Halbkreis bildeten. Dutzende von Mietwagenfahrern in schwarzen Anzügen und weißen Oberhemden liefen herum, einige mit handgeschriebenen Schildern, auf denen die Namen ihrer Fahrtziele standen, in den Händen, andere, die nur untätig herumlungerten und auf die Ankunft des nächsten Flugzeugs warteten. Hinter ihnen standen Familienangehörige und Freunde, die auf irgendeinen nahestehenden Menschen warteten. Jack war sicherlich irgendwo zwischen ihnen – zumindest sollte er es sein.
Aber wo?
Er betrachtete die Wartenden und suchte das vertraute Gesicht seines Sohnes. Dort – ein braunhaariger Mann, der ihm winkte. Jack. Gut, dass er sich bemerkbar machte, Tom hätte ihn sonst nämlich übersehen. In seinem blauen Kapuzensweatshirt, dem karierten Oberhemd, den Jeans und Turnschuhen hätte er wer weiß wer sein können. Er war praktisch unsichtbar.
Tom verspürte eine Mischung aus zärtlicher Liebe und Erleichterung. Er verstand seinen jüngeren Sohn nicht – was das betraf, verstand er den älteren auch nicht besser –, aber seine Zeit mit Jack damals im September hatte ihm die Augen geöffnet. Ein freundlicher, völlig entspannt auftretender Mann, den er für orientierungslos, fast sogar für so etwas wie einen Versager gehalten hatte. Jack hatte sich offenbar in einen tapferen Krieger verwandelt, absolut entschlossen und zielstrebig, der sich an einer Mörderbande furchtbar gerächt hatte.
Tom hatte sich an dem tödlichen Kampf beteiligt und anschließend erwartet, ein schlechtes Gewissen oder zumindest Bedauern zu verspüren. Aber nichts von beidem hatte sich bei ihm gerührt. Seltsamerweise hatte ihm das Töten überhaupt nichts ausgemacht. In diesem Fall hatten die Toten ihr Schicksal auch verdient. Und wenn er es genau betrachtete, so hatte er, verdammt noch mal, weitaus mehr und wahrscheinlich viel bessere Männer während seines Ausflugs nach Korea vom Leben zum Tod befördert.
Aber obwohl Jack in jener Nacht in seinem Ansehen erheblich gestiegen war, blieb er ihm noch immer ein Rätsel. Deshalb hatte er sich auch entschlossen herzukommen. Er wollte ihn in seiner eigenen Umgebung erleben.
Jacks Entschuldigung, sein Apartment sei zu klein … klang irgendwie nicht überzeugend. Er war enttäuscht gewesen und hatte sogar daran gedacht, ihn deswegen anzurufen, entschied sich aber dafür mitzuspielen.
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