Handzahm
alle SM-Anhänger. In der Szene findest du viele Bezeichnungen, aber meine ist nicht künstlich. Ich bin der Lord.»
«Ein englischer Adeliger?»
Er lachte schallend auf. «Du hast wirklich nicht die geringste Ahnung, wen du anhimmelst. Mein Name lautet Andrew Callum Lord und ich leite Lord Enterprises, ein Unternehmen, das Privatjets für zahlungskräftige Kunden konzipiert, baut und vertreibt.»
Cassy verstand. «Ich bin nicht gut genug für Sie, nicht für den Dominus und auch nicht für den reichen Geschäftsmann.»
«Darum geht es nicht. Ich bin eine Nummer zu groß für dich und rette dich vor deinem eigenen Übermut. Leichtsinn kann gefährlich sein!» Sein Handrücken streifte ihr Kinn, bevor er mit eiligen Schritten zurück in den Saal ging.
Traurig blieb Cassy zurück. Sie wusste nicht, was sie von dem Gespräch halten sollte. Immerhin hatte er sie nicht lachend zerschmettert, sondern sie hatte eher das Gefühl, dass er ihr absichtlich hatte Angst machen wollen, damit sie das Weite suchte.
Domina Deity tauchte plötzlich neben ihr auf. Unter ihrer Latexmaske grinste sie breit. «Der Lord und die Gefahr – zwei Dinge, die untrennbar sind.»
«Genau das reizt mich», erwiderte Cassandra aufmüpfig. Die Domina musste das Gespräch belauscht haben. Hexe!
Deity kniff sie in den Oberarm. «Du bist wie eine Motte, die vom Licht angezogen wird. Pass auf, dass du dich nicht daran verbrennst, und höre auf den Lord. Er erkannte bereits als Teenager seine dominante Seite. Seitdem hat er an seinen Fähigkeiten gefeilt und ist gereift. Er hat viel gesehen, viel erlebt und viele Sklavinnen gehabt.»
«Was willst du mir sagen, was der Lord mir nicht bereits gesagt hat?», fiel Cassy ihr ins Wort.
«Am Anfang, wenn SM noch neu ist, sind softe Praktiken noch befriedigend. Aber man wird rasch abgebrüht und die Intensität der Sessions steigert sich.»
«Willst du mir damit sagen, ich bin nicht belastbar genug?»
«Du bist zumindest keine Herausforderung für ihn, sondern eher langweilig.»
Cassy riss sich los. «Das war mir schon klar, bevor du es loswerden wolltest. Ich habe keine Lust mehr auf dein Geschwätz.»
Derek kam endlich aus dem WC, und sie konnte es kaum erwarten, mit ihm das Haus zu verlassen.
Aber Deity griff erneut nach Cassandras Arm. «Ja, aber ich meine es nur gut mit dir. Er nimmt seine Sklavinnen hart ran. Manche munkeln sogar, dass er es mit der einen oder anderen schon zu weit getrieben hat.»
Die Domina schnaubte noch einmal und machte sich davon.
Über die letzten Worte von Deity dachte Cassy noch nach, als sie längst im Wagen saß und Derek sie heimfuhr. Konnte es tatsächlich sein, dass der Lord skrupellos handelte? Ließ er sich manchmal gehen und schlug über die Stränge, um den ultimativen Kick zu bekommen? Cassy konnte sich das nicht vorstellen. Er wirkte so beherrscht. Außerdem hatte Deity doch Lobeshymnen auf seine Erfahrenheit gesungen. Wollte die Domina sie am Ende doch nur erschrecken oder war etwas an den Gerüchten um den Lord dran?
«Bist du sauer?», fragte sie Derek und griff nach der braun karierten Wolldecke, die auf dem Rücksitz lag. Sie knüllte sie zusammen, klemmte sie zwischen Fenster und Schulter ein und lehnte den Kopf dagegen.
Er schaltete die Heizung an. «Warum sollte ich?»
«Weil du im Pavillon nur Zuschauer warst.»
«Ich hatte auch meinen Spaß, wie du gesehen hast, und vom Zuschauen kann man viel lernen.»
Das beruhigte sie. Derek war ein guter Freund für sie und eine der wenigen Personen, mit denen sie über SM reden konnte. Es wäre ihr unerträglich gewesen, wenn er wütend gewesen wäre.
Aber dann sagte er etwas, was ihr gar nicht passte. «Du hast bekommen, was du wolltest. Jetzt solltest du ihn vergessen.» Natürlich meinte er den Lord.
Obwohl Cassy todmüde war, regte sich Widerspruch in ihr. Alle rieten ihr, sich vom Lord fernzuhalten. Warum nur? Aber sie hatte nicht das Bedürfnis, Derek nach seinen Gründen zu fragen. Die Diskussionen mit dem Lord und der «göttlichen» Domina hatten ihr gereicht.
Das Problem war nur, dass Trotz bei ihr meist die gegenteilige Reaktion zu dem hervorrief, was man von ihr erwartete.
*
Cassandra saß in der Vorlesung und hing ihren Gedanken nach. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte den Ausführungen des Professors zum Thema internationaler Medienmarkt nicht folgen. Immer wieder driftete sie in ihre Tagträume ab.
Andrew Callum Lord. Dieser Name tauchte immer wieder vor ihrem geistigen
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