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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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hatte sie durch einen ganz einfachen Zug kaltgestellt. Die punische Reihe war immer weiter zurückgewichen, bis sie sich mit der linken Flanke an der flußabgewandten Seite des eigenen Lagers befand. Hinter den Wällen und Verhauen saßen wahrscheinlich Schleuderer, Speerwerfer und Bogenschützen. Die Libyer, die am Fluß vorrückten, konnten entweder versuchen, das Lager zu stürmen – schwierig, blutig und für die Schlacht zunächst bedeutungslos. Sie konnten zusehen, wie die anderen kämpften, ohne selbst einzugreifen. Oder sie konnten in aller Eile in die Mitte oder auf den anderen Flügel verlegt werden – was Zeit und Kraft kostete, die übrigen Truppen beengen und beeinträchtigen mußte und den Puniern die Möglichkeit gab, dann die Leichtbewaffneten aus dem Lager in die nackte Flanke des Gegners stürmen zu lassen.
    Die Elefanten rissen Lücken, quirlende Verwerfungen , zeugten Strudel in der Mitte der libyschen Schlachtreihe. Stoßkeile schwerer Fußkämpfer folgten. Die punische Reiterei versuchte neben den Elefanten durchzubrechen. Noch hielten die libyschen Reihen.
    Die Entscheidung würde jedoch in der Mitte und auf dem rechten punischen Flügel fallen. Hier standen Teile der Libyer und die erprobten Söldner des Römischen Kriegs Hamilkars schwerem Fußvolk gegenüber, und die Punier waren kaum halb so viele und sicher nicht kampfkräftiger als die in langen Jahren von Hamilkar ausgebildeten Aufrührer. Der Flügel wich unter dem Druck der Kelten, Halbhellenen, Iberer, Italier und Sikelioten langsam zurück.
    Ein Angriff der zweitausend Massyler auf Seiten der Söldner zu diesem Zeitpunkt wäre der Todesstoß für Hamilkars Heer, und ob sie für ihn die Schlacht wirklich wenden konnten, erschien Antigonos zweifelhaft. Aber das waren seine letzten klaren Gedanken.
    Die Numider hatten einen Punkt genau oberhalb der Schlachtreihen erreicht. Naravas hob den Speer, stieß einen langen schrillen Schrei aus und galoppierte los.
    Die leichtgepanzerten, leichtbewaffneten Numider waren keine Stoßreiterei, die wie makedonische Kataphrakten eine gegnerische Reihe zertrümmern konnte. Sie konnten belästigen, verwirren, wie Sturmwirbel um die feindlichen Truppen rasen, mit den Speeren zustoßen, sich zurückziehen, neu angreifen. Sie schienen auf den Pferden zu kleben. Antigonos stürzte beim Anprall von seinem Reittier, kam irgendwie auf die Füße, hatte das kurze breite Schwert in der Hand.
    Alles weitere war ein Kreiseln sich auflösender, wieder verwachsender, wechselnder Bilder. Er hielt das Schwert, aber nicht er, es kämpfte, hieb und stach, parierte, wich aus, taumelte, fing sich, duckte und tauchte, stürzte, stand. Ein aufgerissener Mund; Blut aus einem Armstummel; Hände drückten Gedärm in den zerschlitzten Bauch zurück; abgebrochener Speerschaft im Rücken eines Liegenden; zuckende Klingen; Staub. Kein Geräusch, nur das malmende Pulsen und Pochen der Brandung im Ohr. Und als einzig halbbewußte Empfindung eine unermeßliche, unersättliche Gier zu töten.
    »Sieht aus wie ein Schlag mit der flachen Klinge. Wenn das alles wäre… Bleib ein bißchen liegen. Weiter.« Der punische Wundarzt, von Kopf bis Fuß blutbespritzt, wandte sich ab. Ein schwarzer Helfer wickelte Leinenstreifen um Antigonos’ Kopf.
    Schreie und Stöhnen von Verwundeten drangen durch die dumpfe schwärende Schmerzhaube, die den Platz des Schädels eingenommen hatte. Die Sonne, irgendwo links und schon tief, durchsetzte die Luft mit unerträglichem Glanz. Zu Weißglut erhitztes Gold sickerte in seine Augen.
    Als er das nächste Mal erwachte, flackerten Feuer in der Ebene. Mühsam richtete er sich auf; sein Kopf war wieder ein Kopf, zum Überlaufen voll von schwappendem Blei und Brandrädern. Er schloß die Augen, atmete mehrmals tief und versuchte zu blinzeln. Die Rundtänze kamen zum Stillstand.
    Halb von den Feuern erhellt schaukelten nicht weit die großen Elefanten an ihren Pflöcken. Vor und zurück, vor und zurück. Die Vorderbeine waren zusammengekettet. Es waren große Tiere aus den Steppen tief im Süden Libyens, wahrscheinlich mit Schiffen aus einem der Häfen im Osten nach Qart Hadasht gebracht und dort ausgebildet. Die kleineren Elefanten aus den numidischen und gätuhschen Wäldern konnten keine Türme tragen und wurden von den punischen Heeren häufiger verwendet, mit verlängerten Stoßzähnen und einem Speerreiter. Aber die Wege nach Numidien waren versperrt. Weißgekleidete Gestalten huschten durch die

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