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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und die römische Drohung nicht zu einem neuen Krieg gegen Rom entwickelt – in der augenblicklichen Lage hätten die Punier keine Truppen nach Sizilien oder gar Italien schicken können, und zweifellos wären die Römer in Libyen gelandet. Davon hätte aber Naravas sicher gehört. Es gab keine fremden Händler im Land, die Söldner ernährten sich – wie die Massyler – von dem, was sie finden, jagen, kaufen oder stehlen konnten. Daraus ließ sich ableiten, daß die Flotte von Qart Hadasht die Küsten beherrschte. Und alle gemeldeten Bewegungen beschränkten sich auf den Raum zwischen Hinterland, Hipu, Ityke und Tynes – offenbar hielten die Städte der Ostküste wie Hadrymes, Thapsos und Ruspino der punischen Hauptstadt die Treue.
    Ebenso schien festzustehen, daß Hanno nicht abgesetzt war , sondern daß die Punier über zwei gleichberechtigte Strategen verfügten. Mit allen Nachteilen. Hannos Heer sperrte den Isthmos und beobachtete Tynes, statt etwas zu unternehmen; damit fiel ein großer Teil der geringen punischen Kräfte für jeden sinnvollen Einsatz aus.
    Das zweite Heer unter Hamilkar zog durch die Ebene am Bagradas, nahm ein paar kleinere abgefallene Orte, beschlagnahmte die Ernten und suchte die Gelegenheit, den Söldnern eine weitere Niederlage zuzufügen. Aber Matho, der nach Audandos und Spendius’ Schlappe den Oberbefehl übernommen hatte, war vorsichtiger. Er blieb bei Hipu, leitete die Belagerung der punischen Stadt und kümmerte sich um das alte libyphönikische Ityke. Seine ehemaligen Mitaufrührer, jetzigen Untergebenen Spendius und Audarido hatte er angewiesen, sich vor Hamilkars Elefanten und Reitern zu hüten, nicht in die Ebene zu gehen, das Heer von den Bergen aus zu beobachten und erst anzugreifen, wenn sich eine gute Gelegenheit bot. Als sie kam, war Naravas bereit.
    Es war schon später Sommer. Die einander belauernden Heere hielten sich immer noch in der Nähe des Bagradas auf, kaum einen Tagesritt vom Hauptlager der Massyler entfernt.
    Naravas war die letzten Tage ungewöhnlich ruhig gewesen. Plötzlich schien er einen Entschluß zu fassen. Nachdem er vier Stunden fast regungslos auf einem Stein gehockt hatte, sprang er auf, winkte einige seiner Leute herbei und gab Anweisungen. Sie schlugen die Fäuste auf die Brust, liefen zu ihren Pferden und jagten davon.
    Naravas kam zu Antigonos, der vor dem Zelt saß und seinen arg mitgenommenen Chiton flickte. Kleomenes hatte ihm Nadel und Faden geliehen.
    »Manchmal muß man die Dinge beschleunigen«, sagte der Numider. Sein Gesicht war blaß unter der Bräune.
    »Was willst du beschleunigen, o Fürst?«
    Naravas ging unruhig auf und ab. Alle Bedächtigkeit und Grübelei der letzten Tage war fort. »Spendius und Audarido sitzen auf einem Bergrücken.« Er rieb sich die Hände. »Heute früh kam ein Bote von ihnen – sie fordern uns auf, mit ihnen in die Schlacht zu ziehen. Offenbar wissen sie, daß meine Leute in der Nähe sind. Ohne uns, sagt der Bote, wollen sie es nicht wagen – wegen der punischen Reiterei und der Elefanten. Sie haben ja kaum Pferdkämpfer. Aber…« Er starrte Antigonos an. Dann lächelte er verzerrt. »Fünfzehntausend frische Libyer unter Zarzas stoßen morgen zu ihnen. Vielleicht übermorgen. Mit ihnen und uns, sagen sie, kann man auch Hamilkar vernichten. Er hat immer noch kaum mehr als Zehntausend.«
    Antigonos bewegte sich unbehaglich. Etwas Kaltes schien seinen Rücken hinabzurieseln. »Und nun?« sagte er schwach.
    »Wir reiten – morgen. Die anderen stoßen unterwegs zu uns.«
     
    Boten kamen und gingen. Erst kurz vor Mitternacht kehrte Ruhe ein. Naravas kam steifbeinig zum Zelt, das er noch immer mit Antigonos und Kleomenes teilte.
    »Sie sitzen in der Falle«, sagte er. Sein Gesicht war ausdruckslos. »Zehntausend Punier und Hamilkar. Sie haben am Fluß ein Lager mit Wällen. Vor ihnen liegen Zarzas’ Libyer – fünfzehntausend. Spendius und Audando sitzen mit etwa neuntausend Söldnern über ihnen auf dem Berg und werden morgen früh hinabsteigen. Wir auch.«
    Antigonos öffnete den Mund, schloß ihn wieder. Alles was er sagen konnte hatte er längst gesagt; stumm reckte er Naravas die Hände hin. »Binden«, sagte er leise.
    Naravas schüttelte den Kopf. »Das kann bis morgen warten. Schlafen.« Er drehte sich auf die Seite.
    Antigonos war sicher, nicht schlafen zu können. Als er erwachte, wußte er nicht, was ihn mehr verblüffte – daß er geschlafen hatte, oder daß Naravas vor ihm kniete. Auf

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