Hanibal
Elefantenreihen, brachten Futter, schleppten Wassereimer, reinigten die verschmierten Klingen auf den Zähnen und streiften die Scheiden darüber. Punier, aber man nannte sie Inder, wie die Pfleger und Abrichter, die als erste vor Jahrzehnten indische Kampfelefanten in Syrien und Ägypten gelenkt hatten.
›So ein Irrsinn. Die Schlacht ist vorbei, ich sitze hier, weiß nicht, was geworden ist, und mein Kopf denkt über Elefanten nach.‹ Antigonos wandte sich an den Mann, der zu seiner Rechten lag. Er hatte lange furchtbar gestöhnt und schwieg nun. Vielleicht wußte er etwas. Aber der Körper, den der Hellene berührte, war kalt und steif.
Beim vierten Versuch gelang es ihm, aufzustehen und auf den Beinen zu bleiben. Einer der »Inder« ließ ihn frisches Wasser aus einer Lederflasche trinken. Halb taumelnd, halb gehend versuchte Antigonos, sich in der Ebene zurechtzufinden.
Er war mit anderen Verwundeten zum Wall des punischen Lagers gebracht worden. Wo die Schlachtreihe die Befestigung berührt hatte, türmten sich nun Schwerter, Rüstungen, Speere, Helme, Gürtel, Scheiden, Messer, Bogen. Aus dem von den verstreuten Feuern eher vertieften Dunkel tauchten immer wieder Kämpfer auf, die noch mehr Kriegsgerät zu den Stapeln, Pyramiden und Haufen brachten. Ein langer, niedriger Hügel, der am Tag noch nicht dagewesen war, zeichnete sich undeutlich in der Mitte der Ebene ab. Als Antigonos dorthin schlurfte, fing ihn im letzten Moment ein Mann ab. Vor ihm gähnte eine tiefe Grube.
Antigonos schleppte sich fort, zunächst ziellos, dann dorthin, wo der Fluß sein mußte. Das Prasseln der Feuer, ein durchdringendes und alles überlagerndes Tosen von tausend leisen Gesprächen; der Geruch von Wein und verbranntem Fleisch, der Geruch, metallisch und dennoch widerlich weich, von geronnenem Blut und zerhackten Körpern, die einen halben Tag in sengender Sonne gelegen hatten. Zurufe, das Stöhnen von Verwundeten, Wimmern, Schreie. Antigonos war mit den Numidern nüchtern in den Kampf geritten und hatte nur ein paar Schluck Wasser getrunken, aber irgendwann übergab er sich keuchend, keuchend pumpte er mehr aus sich heraus, als in ihm sein konnte. Ein anderer Wundarzt, oder der erste? Er beugte sich über einen Körper, der sich wand und dumpfes Jaulen ausstieß. »Mut, Freund«, sagte der Arzt halblaut; er legte eine Hand auf die Stirn des Mannes. »Frauen leiden mehr, wenn sie gebären. Schließ die Augen. Es wird gleich ein bißchen wehtun, aber dann geht es dir besser.« Der Helfer des Arztes stieß dem Krieger einen langen glimmenden Dolch ins Herz. Gätulier und Balliaren durchstreiften noch immer mit Messern die Nacht, schleppten leichtverwundete Söldner und Libyer zum punischen Wall und zerschlitzten die Kehlen der Schwerverletzten. Sie brachten Waffen, Ringe, Münzen und Rüstungsteile zu Sammelstellen. Ein Trupp schwerer punischer Reiterei, junge Männer aus den ärmeren Schichten von Qart Hadasht, kam von einer Streife zurück; sie trieben zwei oder drei Dutzend torkelnder, entkräfteter Flüchtlinge zu den Pferchen, in denen die Gefangenen kauerten.
Jemand packte Antigonos an der Schulter. »Komm, Freund meines Herrn.« Es war Kleomenes. Der Akragantiner schob und zog Antigonos zwischen den Feuern und Männern und Tieren und Leichen zu einem Zelt. Posten mit Fackeln standen neben dem offenen Eingang. Unterführer kamen heraus, wahrscheinlich von einer Beratung. Sie redeten leise miteinander, entfernten sich in die Nacht.
Kleomenes deutete zwischen die Posten. Antigonos nickte , atmete mehrmals tief durch und ging auf weichen Beinen ins Zelt.
Hamilkar stand mit verschränkten Armen neben dem kleinen Feuer im Inneren. Er sah aus, als ob er in Blut gebadet hätte. Naravas, mit bespritztem und zerfetztem Gewand, hockte auf einem Schemel, umrahmt von Öllichtern, und blickte zu dem punischen Strategen auf. Er hielt den Kopf schief und schien von einer wichtigen Sache zu berichten, verstummte aber, als Antigonos erschien.
Beide starrten ihn an wie einen Geist. »Tiggo«, sagte Hamilkar. Er streckte die Rechte aus und deutete auf den Kopf des Hellenen.
»Ah, nichts. Ein Hieb mit der flachen Klinge, ein paar Kratzer.« Antigonos faßte vorsichtig nach den Leinenbinden; sie waren verkrustet. Mit schwachem Grinsen sagte er: »Aber ihr könntet euch auch mal waschen – du vor allem, Diener des Melqart.«
»Heute eher Knecht des Baal.« Hamilkar schüttelte den Kopf und legte die Hände auf Antigonos’ Schultern.
Weitere Kostenlose Bücher