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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Möglichkeit nehmen, ungestört Truppen zu landen. Dazu würde er alle Kräfte brauchen, auch die in Libyen liegenden Truppen. Sicherte er Libyen, mußte er Iberien entblößen. Versuchte er, beide zu sichern, konnte er mit ausgedünnten Truppen wahrscheinlich nicht einmal den Iberos halten. Ließ er in aller Eile noch mehr Schiffe bauen, mußte er, da es keine verfügbaren Mannschaften gab, große Teile seiner Landtruppen aufs Meer schicken. Der große Sizilische oder Römische Krieg, den Hannibals Vater zum bitteren Ende hatte führen müssen, war fern von Qart Hadasht ausgetragen worden. Dieser neue Krieg, wenn er denn ausbrechen sollte, würde auf punischem Boden stattfinden, begleitet von neuen Aufständen in Libyen und Iberien. Sizilien war fest in römischer Hand. Angesichts der römischen Flotte gab es keine Möglichkeit, Truppen dorthin zu schaffen. Italien selbst war vollkommen unangreifbar. Das große und reiche Massalia, Bundesgenosse und im Kriegsfall Stützpunkt der Römer, konnte die Küstenstraßen sperren, und auch jenseits von Massalia genügten auf den schmalen Streifen flachen Landes zwischen Meer und Bergen wenige Legionen, um alles abzuriegeln; außerdem konnten Roms Schiffe überall Truppen an Land setzen.
    So blieb nichts, außer der hageren Hoffnung auf Friede und der fetten Wahrscheinlichkeit eines Verteidigungskriegs gegen einen übermächtigen Feind, der Schauplatz, Geschwindigkeit und Art der Auseinandersetzung bestimmen konnte.
     
    »Deshalb Friede um jeden Preis, Metöke.« Hanno lächelte beinahe gütig; fast hätte er die Hand ausgestreckt und Antigonos’ Arm getätschelt, den der Hellene eben noch vom Tisch ziehen konnte.
    Die Grotte der säuerlichen Genüsse lag gleich weit von tofet und Hafen entfernt und ein wenig nördlich von beiden, an einem Platz nahe der Großen Straße. Um diese frühe Mittagsstunde war die Schänke spärlich besetzt: vier weitere Tische mit Gästen, insgesamt elf Männer und drei Frauen. Das Licht der Fackeln, die das kühle Gewölbe erhellten, spiegelte sich auf den glatten, mit Harz und Wachs behandelten Holzflächen und in den glasierten Gefäßen. Mit einem Teil seiner Gedanken war Antigonos bei den Bergen von Kohl, gedünstet in Weinessig, Zwiebelsaft und Limonenscheiben, bei dem sauer eingelegten Lauchgemüse, den Salzfischen, dem von in Salzwasser gekochten Algen eingerahmten, säuerlich marinierten Pferdebraten, dem in Buttermilch ruhenden, mit Zwiebelringen und Gurken belegten Schenkel eines Masthundes und all den anderen Dingen, die Hanno bereits verzehrt oder noch vor sich stehen hatte.
    Antigonos beschränkte sich auf Wein mit Kinnamon und warmem Wasser, Fladenbrot und ein wenig kalten ungesäuerten Braten. »Allein der Anblick verursacht mir Sodbrennen«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung.
    Ein anderer Teil seiner Gedanken war bei den Römern, die sich lange im südlichen Italien und auf Sizilien aufgehalten hatten und erst am Vorabend angekommen waren. Mit dem Rest seines Denkens war er bei Hannibal in Iberien und bei einem Versuch, Hannos Gründe für diese Begegnung zu erraten.
    »Sodbrennen? Ah, so geht es mir im Geiste, wenn ich den Namen Hannibal höre.« Hanno fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und tupfte dann einen Speiserest vom Ring an seinem Mittelfinger. Der Stein war tiefblau.
    »Ich stimme dir in gewisser Weise zu, was deine Sicht der Ausgangslage des Kriegs angeht – wenn es zu einem Krieg kommt. Aber, großer Hanno, was geschieht, wenn du den Preis für jeglichen Frieden zahlst? An welche Preise denkst du?«
    Der Punier lehnte sich einen Moment zurück und schob die Filzkappe zurecht. Der ehemals weiße Bart war kastanienbraun gefärbt. »Das kommt darauf an.«
    »Worauf?«
    »Welchen Preis unsere römischen Freunde fordern.«
    »Deine Freunde. Ich suche meine etwas sorgfältiger aus.«
    Hanno lachte leise. Er tauchte die Hand in die Schale mit scharf gewürzter Hirse, formte eine Kugel und schob sie in den Mund. »Gleichviel. Reden wir nicht von Freundschaft«, sagte er undeutlich. »Zwischen uns wäre es ein verfehltes Gesprächsthema, glaube ich. Reden wir von Preisen. Von vielen Preisen.«
    Antigonos runzelte die Stirn. »Welche vielen Preise?«
    »Die Entscheidung, die heute nachmittag beraten wird , betrifft uns alle. Und viele Preise, Metöke. Berge von Silber für einen von vornherein verlorenen Krieg. Oder ein paar kleine Opfer, die uns, uns allen, besonders dir und mir den Handel und den Gewinn

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