Hanibal
Fahrzeuge bemannen: Lanzenreiter in die größeren Boote, an deren Hecks die Zügel von Pferden befestigt waren, um die Tiere schwimmend mitzuziehen; Fußkämpfer in die kleinen Kähne und Einbäume. Die übernächtigten Uolker liefen am anderen Ufer wieder zusammen, schwenkten die Waffen, grölten unverständliche Gesänge und forderten Hannibals Truppen auf, doch endlich zur Sache zu kommen.
Nördlich der Uolkerlager stieg eine dünne Rauchsäule in den silberblauen Morgenhimmel, riß ab, stieg erneut, riß wieder ab und verfärbte sich dann, als ob jemand nasses Holz nachgelegt hätte. Hannibal stieg in ein großes Boot, hob das Schwert und deutete aufs Ostufer. Vielleicht sagte er etwas, aber das war nicht zu hören. Der Fluß rauschte. Jenseits brüllten, sehnen, sangen, trampelten und fuchtelten die Uolker, schlugen Schilde und Schwerter aneinander. Wiehernde Pferde schwammen, weil sie gezogen wurden, hinter Hannibals Booten her; Ruderer kämpften rhythmisch brüllend gegen die Strömung. In den Booten und Kähnen mochten etwa viertausend Kämpfer sitzen und stehen; die Masse des punischen Heers drängte sich am Ufer und feuerte die Männer in den Fahrzeugen an. Antigonos war auf eine Weide geklettert, umklammerte mit den Beinen einen Ast und hielt sich die Ohren zu.
Hanno brachte mit dreitausend Libyern und tausend iberischen Kataphrakten einen nächtlichen Gewaltmarsch flußaufwärts hinter sich. Zweihundert Stadien nördlich der Lager setzten sie über den Fluß. Das andere Ufer war hier nicht mehr bewacht. In der Mitte des Stroms lag eine breite Insel. Die Männer bauten Flöße; viele schwammen einfach über die beiden Flußteile, indem sie sich an Schläuche oder Holzbündel klammerten. Nach der nötigen Ruhe marschierten sie am vierten Tag flußab. Dann gaben sie das vereinbarte Rauchzeichen.
Die Uolker wurden vollkommen überrascht. Das erste Boot, mit Hannibal im Bug, war noch dreißig Schritte vom Ufer entfernt, als Hannos Reiter mit je einem aufgesessenen Fußkämpfer von hinten in die dicht am Ufer stehenden gallischen Krieger jagten. Die nachfolgenden Libyer besetzten gleichzeitig das Lager, während Hannibals Landungstruppen die Umfassung vollendeten.
Der Meister der Versorgung ordnete, wie Hannibal befohlen hatte, die nächste Phase des Übergangs. Noch ehe die Uolker – soweit sie den Zangenangriff überlebt hatten – sämtlich geflohen waren, begannen die Vorbereitungen für die Verschiffung der Lasten. Hasdrubal ließ zunächst die leichten, dann die schwereren Gepäckstücke am Ufer stapeln und die übriggebliebenen Herdentiere in kleine Gruppen teilen. In einer Atempause stand er mit zerfurchter Stirn und grimmig herabgezogenen Mundwinkeln am Ufer und starrte auf das abflauende Kampf getümmel. Hannibal war nicht zu sehen und steckte wahrscheinlich im dichtesten Knäuel.
»Das muß aufhören«, sagte Hasdrubal, als Antigonos ihn am Ellenbogenberührte.
»Was? Kämpfe?«
Der grauhaarige Punier schüttelte heftig den Kopf. »Ach was, Unsinn. Das wäre ein Traum. Nein, daß der Stratege mitmischt.«
»Er wird müssen. Es gibt immer Lagen, in denen die Leute nur ihm folgen.«
Hasdrubal spuckte ins Uferwasser. »Schon richtig, Tiggo. Heute war das so, und das läßt sich nie vermeiden. Aber…
wenn wir erst drüben sind – am Ziel, meine ich, nicht über den Fluß –, dann ist er der einzige, der überhaupt etwas bewegen oder zusammenhalten kann. Hier könnten wir, wenn ihn ein Kelte erwischt, immer noch umkehren, aber in… Er ist der beste Kämpfer, den ich je gesehen habe; und ich habe auch Hamilkar gekannt. Aber – er ist nicht zu ersetzen. Er darf nicht einfach so ins Gemenge gehen!«
»Sag es ihm.«
Hasdrubal verzog das Gesicht. »Hast du schon mal versucht, einen Sandsturm zu beschwichtigen oder einem Wasserfall gut zuzureden?«
Bis zum Abend war das Heer übergesetzt und hatte am Ostufer des Rhodanos ein neues Lager errichtet. Nur einige Sicherungsgruppen blieben am Westufer, zusammen mit den »Indern« und den siebenunddreißig Elefanten.
Ihre Verschiffung nahm fast den ganzen nächsten Tag in Anspruch. Kleine Reitertrupps brachen in verschiedene Richtungen auf, um die Gegend zu erkunden und die abziehenden Uolker zu beobachten, aber der größte Teil des Heers ruhte, und viele verfolgten mit Spannung und bissigen Bemerkungen das umständliche Übersetzen der großen Tiere.
Nachdem die Handwerker und Krieger Flöße gebaut hatten, die genau zusammenpaßten, banden
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