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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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keine Täler, keine Hochebenen, keine Orte und keine Rast außer kurzer Ohnmacht in Eis und Felsen.
    Im Tal des Aqra sahen die Libyer, Numider, Gätulier, Iberer, Balliaren, Punier, Libyphöniker, Hellenen zum ersten Mal, was diese Berge wirklich bedeuteten. Man hatte vieles gehört, aber die Höhe der Berge, aus der Nähe betrachtet, die Schneemassen, die sich mit dem Himmel vermischten, die häßlichen auf Felsvorsprüngen gebauten Hütten, die Herdentiere und das Zugvieh, vor Kälte verkümmert, erneuerten den Schrecken; die ungeschorenen und verwilderten Menschen, die ganze lebende und leblose Natur, vor Frost erstarrt, und all diese Erscheinungen, aus der Nähe noch abscheulicher als in der Schilderung, trugen mit dazu bei. Als der Zug zu steigen begann, bemerkten sie, daß die Bergbewohner die vorspringenden Hügel besetzt hielten; wenn sie die versteckteren Täler besetzt gehalten und plötzlich angegriffen hätten, wäre eine ungeheure Flucht und Vernichtung daraus geworden. Hannibal ließ haltmachen und schickte Gallier zur Erkundung der Gegend voraus; von ihnen erfuhr er, daß es dort keinen Übergang gab, und so ließ er im Tal zwischen Felsstücken und Klippen lagern. Von den keltischen Führern hörte er, daß der Paß nur bei Tag besetzt gehalten werde, bei Nacht alle in ihre Häuser verschwänden; er rückte darauf bei Tagesanbruch an die Hügel heran, als ob er den Paß mit Gewalt nehmen wollte. Er verbrachte den Tag darauf mit ganz anderen Dingen als geplant. An der gleichen Stelle, wo sie haltgemacht hatten, befestigten sie ihr Lager. Als Hannibal merkte, daß die Bergbewohner von den Höhen herabgestiegen waren und nur vereinzelt noch Posten dastanden, ließ er den Troß mit der Reiterei und dem größten Teil der Fußtruppen zurück; an der Spitze seiner Kerntruppen marschierte er durch den Paß und bezog seine Stellung auf den Anhöhen, die die Feinde besetzt gehalten hatten.
    Von dort brach er bei Morgengrauen auf, und der übrige Zug begann den Marsch. Die Bergbewohner wollten sich auf ihre Posten begeben, als sie plötzlich sahen, daß Feinde über ihren Köpfen auf den Anhöhen standen und andere auf dem Weg marschierten. Das ließ sie eine Zeitlang erstarren. Als sie aber Aufregung im Paß bemerkten und den Zug durch sein eigenes Getümmel, am meisten durch die scheugewordenen Pferde, in Verwirrung sahen, liefen sie von den Klippen herunter, mit allen Wegen und der Weglosigkeit vertraut. Das Heer wurde von Feinden und Gelände gleichzeitig bedrängt; mehr Getümmel entstand in den eigenen Reihen als mit den Feinden, da jeder als erster der Gefahr entgehen wollte. Besonders die Pferde machten den Zug unsicher, weil sie durch das schreckliche Geschrei scheu wurden, das die Täler mit ihrem Echo noch verstärkten. Wiehernd liefen sie hin und her, und wenn sie einen Schlag bekamen oder verwundet wurden, scheuten sie derart, daß sie Menschen und Gepäck aller Art beschädigten. Da der Paß auf beiden Seiten steil und abschüssig war, wurden im Gedränge viele Tiere in den Abgrund geschleudert, ebenso zahlreiche Krieger. Lasttiere rollten mit ihren Packen wie eingestürzte Häuser bergab. Hannibal blieb kurze Zeit stehen und hielt seine Leute zurück, um Getümmel und Durcheinander nicht noch zu vergrößern. Als er sah, daß der Zug durchbrochen wurde und die Gefahr bestand, das Heer ungeschlagen, aber ohne Gepäck über den Paß gebracht zu haben, eilte er von der Höhe herbei; durch den Angriff wurden die Feinde zersprengt, das Durcheinander war in dem Augenblick behoben, als durch die Flucht der Bergbewohner die Wege wieder frei waren. Bald zog das ganze Heer durch den Paß, ruhig und ohne Lärm. Sie eroberten eine Burg, die Hauptbefestigung dieser Gegend, und einige umliegende Dörfer und ernährten sich drei Tage lang von dem erbeuteten Vorrat und den Viehherden. In diesen drei Tagen legte man einen beträchtlichen Teil des Weges zurück.
    Dann kam der Zug zu einem anderen Volksstamm, der für diese Gebirgsgegend eine Menge Bauern besaß. Dort wurde er nicht offen angegriffen, sondern durch List und Fallen beinahe eingeschlossen. Die Herren der kleinen Festungen, meist alte Leute, kamen als Unterhändler zu Hannibal und erklärten, sie seien durch das Unglück anderer belehrt worden; sie wollten lieber Freundschaft als Streit und würden gehorsam alle Befehle ausführen. Er möge von ihnen Vorräte, Wegführer und Geiseln entgegennehmen. Hannibal antwortete ihnen freundlich, empfing die

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