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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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muß es tun, denn das Jahr geht zu Ende, somit auch sein Konsulat; wenn er Ruhm erringen will, bleiben ihm nur noch wenige Tage. Dies ist unsere, ist Hannibals Möglichkeit. Allen, die die Legionen kennen, graut vor dem Treffen; ein konsularisches Feldheer mit Truppen der Bundesgenossen, verstärkt durch die übrige Reiterei des Corneliers – aber dies sagte der Stratege, als er seine Männer vor dem ersten Gefecht gegen Publius an dem Fluß Ticinus aufrichtete: Ihr, die ihr die Alpen bezwungen und unsterblichen Ruhm gewonnen habt, wer soll euch noch besiegen?
    O Philinos, viel hast du gesehen, da du mit Hamilkar zogst; dies aber, aber dies, dieses jedoch sah keiner. Und keiner wird je begreifen, was in den vergangenen Monden geschah. Fünf Monde seit Überschreiten des Iberos – der Norden Iberiens erobert, die Pyrenäen überwunden, das südliche Gallien durchzogen, den Rhodanos überquert, die Alpen bezwungen, die Reiter des Cornelius Scipio geworfen. Fünf Monde, Freund. Fünf Monde.

12
 
AUGE DES MELQART
    Eine wuchtige Gestalt, jäh zwischen den Zelten erschienen, rannte Antigonos nieder.
    »Ah, der Metöke. Tut mir leid.« Mago streckte die Hand aus und zog den Hellenen auf die Beine.
    Antigonos war von Kopf bis Fuß mit Lehm und Kot bedeckt.
    »Wenn du es wiederholen mußt, Punier, dann bitte im Sommer an einer trockenen Stelle.«
    »Klar, klar.« Mago grinste. »Ich leg da dann vorher noch ein paar Keltinnen aus.« Er sah zu, wie Antigonos sich halbwegs zu reinigen versuchte.
    »Keine Eile, Punier?«
    »Nein; ich kann das Schauspiel genießen. Er ist noch nicht zurück.«
    Hannibal war seit dem Morgen unterwegs; niemand wußte genau, was der Stratege plante. Es war ein scheußlicher Tag, der Tag nach der Wintersonnenwende. Kalt, naß und grau; die Ebene am Padus, in den hier die kleinere reißende Trebia mündete, war von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Die meisten Bäume der Gegend hatte man für das Lager und die Feuer gefällt; was noch stand, reckte kahle Äste in den niedrigen drükkenden Himmel.
    Plötzlich legte Mago eine Hand auf Antigonos’ Schulter.
    »Ich danke dir für dieses wunderbare Schwert«, sagte er ernst.
    »Ich hätte nicht geglaubt, daß du die Berge überstehst; dafür schulde ich dir Achtung. Und ich weiß, wie sehr meine Brüder an dir hängen. Zwischen uns wird nie die lautere Liebe sein, Metöke; aber laß uns den Streit vergessen.«
    Antigonos runzelte die Stirn. »Es ist nie mein Streit gewesen, Mago.«
    Hannibals Bruder nickte, legte mit einem schrägen Lächeln die rechte Hand auf sein Herz und verschwand. Der Hellene blickte hinter ihm her, mit ratlosem Unbehagen. Mago war ein großer und furchtbarer Kämpfer, als Truppenführer nur zu vergleichen mit den Unvergleichlichen – Pyrrhos, Hamilkar, Hannibal. Antigonos zweifelte nicht daran, daß Mago, der sich bereitwillig seinem Bruder unterstellte, selbst ein Heer führen konnte. Aber es gab da die dunkle Seite – jene grausame Düsternis, die seit Jahrhunderten Phöniker und Punier den Hellenen verhaßt gemacht hatte. Dieser Krieg war schlimm, wie alle Kriege; auch Hannibal sandte Truppen aus, die Dörfer, Städte und Äcker jener Stämme zu plündern, die Roms Bundesgenossen waren. Auch Hannibal ließ töten, wo er nicht überreden konnte. Aber Mago übernahm die Führung solcher Trupps mit einer gewissen Lust, wobei er sich von Hannibal Monomachos kaum übertreffen ließ. Manchmal erschien es Antigonos, als obindem behaarten Riesenleib, der so sehr an Hamilkar Barkas erinnerte, ein Teil des Geistes von Hanno dem Großen steckte, und er brauchte sich nicht sehr zu bemühen, um sich Mago in Hannos Rolle vorzustellen, bei jenem ersten Treffen vor so vielen Jahren in Hannos Haus auf der Byrsa.
    Er wollte sich säubern, entschied sich dann dagegen. Alles im Lager starrte vor Dreck, Lehm, Abfällen, verkrustetem Blut und Kot. Nach der kurzen Rast am Ende des Alpenübergangs waren sie unausgesetzt in Bewegung gewesen, und niemand außer Hannibal überblickte die Verzweigungen der Vorgänge. Welche Gesandten welcher Stämme und Völker aus welchen italischen Gebieten eingetroffen und abgereist waren, zu welchen Stämmen punische Boten geritten sein mochten, welche Kelten noch zu Rom standen, wo römische Besatzungen lagen… Die abziehenden Truppen des Publius Cornelius hatten zunächst versucht, nach der Niederlage die Brücke über den Ticinus zu halten; dann hatten sie sie verbrannt. Hannibal beriet sich mit Hasdrubal

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