Hanibal
Leder und Stoffe in Hannibals Lager.
Aber der Winter wurde länger und strenger als alles, was die Bewohner der Padus-Ebenen seit Jahrzehnten erlebt hatten. Antigonos fand ihn schlimmer als seine beiden britannischen Winter, da die Kälte nie die Nässe übertraf. Es fiel genug Schnee, um alles zu bedecken, aber er blieb nie lange liegen; die Wege waren schlammige Sümpfe. Die Flüsse schwollen an, traten über die Ufer, überfluteten Äcker und Weiden; sie waren eisig, aber wurden nicht zu Eis. Die Kelten des Landes litten, und auch die an trockene kalte Schneewinter gewöhnten Iberer aus den Bergregionen. Noch übler war es für die Libyer, Numider, Libyphöniker, Gätulier und Punier; am ärgsten traf es jedoch die Tiere. Neunundzwanzig Elefanten starben in den ersten zwanzig Tagen, an Krankheiten, an Kälte, an Nässe, an den Folgen ihrer Verwundungen, am Zusammenwirken all dieser Dinge. Zahllose numidische Pferde verendeten. Waffen rosteten, wurden schartig und brüchig, ehe feste Unterkünfte für alle Truppen beschafft werden konnten. Natürlich zerstörten die abziehenden Römer die Vorratslager; da alle Kelten Norditaliens sich den Puniern anschlossen und sie versorgten, gab es keinen Mangel an Menge, wohl jedoch an Güte. Oft war Getreide verschimmelt, wenn es nach langwieriger Beförderung aus keltischen Speichern durch das naßkalte Land Hannibals Winterlager erreichte. Pferde gingen an fauligem Heu zugrunde.
In der Mitte des Winters gelang es den ersten Boten, von Hannibal nach Qart Hadasht und Iberien oder von dort zu ihm zu gelangen. In einem Brief an Antigonos berichtete Bostar von der jubelnden Siegesstimmung im winterwarmen Libyen – die Nachrichten vom Alpenübergang und den Siegen an Ticinus und Trebia überwögen die schlechten Nachrichten aus anderen Gebieten.
Mit der erstaunlichsten Meldung begab Antigonos sich zu Hannibal. Der Stratege befand sich in seinem Zelt; solange nicht alle Kämpfer in festen Unterkünften waren, verzichtete er auf die Annehmlichkeiten eines trockenen Hauses. Er saß, eingewickelt in seinen rötlichen Wollmantel, am kleinen Tisch, las, schrieb und diktierte gleichzeitig; Sosylos, auf dem Lager, mit untergeschlagenen Beinen, einem Brett und Papyros, klapperte bisweilen mit den Zähnen.
Hannibal blickte auf, als der Posten das Zelt für Antigonos öffnete. »Tritt ein, Tiggo. Bringst du Gutes oder Schlechtes?« Er richtete die Augen auf die Rolle in Antigonos’ Hand.
»Gemischtes. Vor allem Erstaunliches.« Antigonos nickte Sosylos zu, zog einen Schemel zum Tisch und setzte sich. Hannibal wirkte müde und niedergeschlagen; allerdings hätte Antigonos nicht sagen können, was ihm diesen Eindruck vermittelte. Die Augen des Strategen waren wach und scharf wie immer.
»Es geht um Hanno.«
Hannibal winkte ab. »Weiß ich schon – wenn du seine plötzliche Begeisterung für die Barkiden meinst.«
»Hätte ich mir denken können. Du hast es natürlich von anderen erfahren.« Antigonos blickte auf die aufgetürmten Rollen.
Hannibal stand auf, schob den Schemel weg, drückte den Rücken durch und ging ein paar Schritte hin und her; er blinzelte ins Fackellicht. »Hat Bostar Hintergründe?«
»Nein. Er schreibt nur, daß Hanno nicht müde wird, dich zu preisen und den herrlichsten aller Helden oder derlei zu nennen. Er fragt sich nur, wie ernst das ist; es gibt aber keine Hinweise auf den Grund für Hannos Umschwung.«
Hannibal hob die Schultern; es war gleichzeitig eine Geste der Geringschätzung und eine Andeutung von Frösteln. »Den Grund kann ich dir nennen«, sagte er müde. »Jedenfalls nehme ich an, daß es sich so verhält. Hanno preist uns und jubelt über die Siege – damit der Rat nicht auf den Gedanken kommt, wir brauchten Unterstützung oder Verstärkung.«
Sosylos schnalzte. Antigonos kniff die Augen zusammen und klopfte mit der Rolle auf den Tisch. »Ich fürchte, du hast mal wieder recht, Freund. – Was ist das mit den schlechten Nachrichten aus anderen Weltgegenden?«
Sosylos seufzte im Hintergrund, hielt sich aber zurück.
Hannibal biß sich auf die Unterlippe. »Vielerlei – und vielerlei Schlechtes. Es beginnt bei der Flotte, setzt sich fort im fernen Osten und endet in Iberien.«
In knappen Sätzen gab er Antigonos einen Überblick. Der Hellene staunte wieder einmal über das gute Kundschafternetz, das der Punier sogar hier im eisigen Norden Italiens nutzen konnte, und zwar in beiden Richtungen. Aus einigen Nebensächlichkeiten ging klar
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