Hanibal
räusperte sich. »Iberien«, sagte er betont düster. »Der Senat hat Publius Cornelius Scipio nach dem Ende seines Konsulats den Oberbefehl in Iberien verlängert. Er hat dreißig neue Penteren, jede Menge Lastschiffe und achttausend Mann bekommen und wird bald abfahren. Von Hasdrubal wissen wir nur, daß er neue Schiffe gebaut und neue Truppen angeworben hat.«
Muttines murmelte etwas Unverständliches und stieß Maharbal an.
»Herr«, sagte der Reiterführer, »wir begreifen, daß dies eine unerfreuliche Nachricht ist. Aber wir wußten doch, daß Rom über genug Leute verfügt, um an mehreren Stellen gleichzeitig Krieg zu führen.« Er lächelte ohne jede Freude. »Wie wir. Was also tun wir morgen?«
Hannibal blickte endlich auf; seine Augen waren gerötet. Antigonos wußte, daß der Stratege seit Tagen nicht geschlafen hatte; er war umhergeritten, hatte Bauern befragt und mit Kundschaftern gesprochen, Boten abgefertigt, Briefe gelesen und geschrieben, die Truppenausbildung und die Kampfübungen geleitet.
»Sieh mich nicht so besorgt an, Tiggo.« Hannibal zwinkerte.
»Ich habe euch von Iberien berichten lassen, um euch auf gewisse Ähnlichkeiten hinzuweisen. Gnaeus Cornelius steht im Norden Iberiens; wir stehen im Norden Italiens. Sein Bruder wird ihm Verstärkung bringen – Hasdrubal kann uns keine schicken. Die beiden Cornelier werden den Iberos überschreiten und nach Süden vorstoßen, und wir marschieren morgen ebenfalls nach Süden. Nur dort ist die römische Herrschaft zu erschüttern. Unsere einzige Hoffnung ist, die Bundesgenossen und Vasallen von Rom zu lösen, und das können wir nur, wenn wir in ihren Ländern sind.«
Der Monomachos trat von einem Fuß auf den anderen; er schien sich unbehaglich zu fühlen. »Herr – wir haben das so oft besprochen und wissen es. Welche unangenehme Neuigkeit verbirgst du hinter den Wiederholungen?«
Hannibal betrachtete seinen riesigen Offizier. »Du ahnst es , nicht wahr? Wir müssen nach Süden. Die Straße, die bei Ariminum beginnt, wird von Servilius gesperrt; sie ist mit Festungen gesichert. Es wäre Wahnsinn, dort durchbrechen zu wollen. Die gute Marschstraße durch Umbrien scheidet also aus.« Er beschrieb mit dem Zeigefinger auf der Karte einen Bogen von südlich der Mündung des Padus nach Südwesten, gegen Rom. »Westlich davon, fast genau südlich von uns, Etrurien – die zweite mögliche Strecke. Flaminius ist, nachdem er alles zusammengekratzt hat, dorthin marschiert; er kann alle Wege und Pässe sperren.«
»Alle?« Hasdrubal der Graue runzelte die Stirn.
Hannibal nickte ihm zu. »Richtig; alle, die er für gangbar hält. Wir werden also einen nehmen, den er als unmöglich ansehen muß.« Wieder deutete er auf die Karte. »Diesen Flußlauf aufwärts, hier über die Apenninus-Berge ins Gebiet der Magellier, fast genau nach Süden, an den Oberlauf des Flusses namens Arnus. Der Ort, der unser Ziel ist, heißt Faesulae.«
Mago ergriff seinen Bruder bei den Schultern. »Nun sag schon, warum Flaminius den Weg für unmöglich hält!«
»Der Paß ist ein bißchen steil«, sagte Hannibal wie beiläufig.
»Und vom etruskischen Dorf Pistoria an einem Nebenfluß des Arnus bis Faesulae ist es ein bißchen sumpfig.«
Jenseits des mörderischen Passes verendete der vorletzte Elefant; nur Syros schien alles nichts anhaben zu können. Nach dem harten langen Winter, in dem sehr viel Schnee gefallen war, der sich auf den hohen Bergen lange gehalten hatte, zog sich die Schneeschmelze hin und setzte eigentlich erst gegen Frühlingsende richtig ein. In den etrurischen Flußtälern waren die Tage erstickend heiß; Mückenschwärme verdunkelten den Himmel und stürzten sich auf Menschen und Tiere. Die Nächte blieben kalt, noch kälter durch das eisige Schmelzwasser.
Der letzte Teil des Marschs, vier Tage und drei Nächte, ließ Antigonos beinahe Sehnsucht nach den Alpen empfinden.
Dabei hatte der Hellene noch Glück. Am Abend vor dem ersten wirklichen Sumpftag ordnete Hannibal den langen Zug und gruppierte die Verbände neu.
»Tiggo. Wenn wir rauskommen, brauchen wir als erstes trockene Plätze, Verpflegung, Wasser, Raum für Latrinen , Weiden. Du weißt schon. Du übernimmst mit Hanno und Himilko die erste Gruppe; ich gebe euch fünfzig Hundertschaften Libyer und die Hälfte der Iberer und Balliaren. Hasdrubal: Du nimmst die übrigen Libyer und Iberer.« Er dehnte den nächsten Satz. »Paß vor allem auf, was hinter dir geschieht.«
Der Graue zog die
Weitere Kostenlose Bücher