Hanibal
Niederlage des punischen Heers, gleich wie sie ausfiel, mußte der Untergang sein.
Am Morgen beschloß der Hellene, weiterzureiten – trotz allem. Es erschien ihm unwahrscheinlich, daß er nach einem römischen Sieg noch irgendeinen Hafen erreichen könnte; vor allem aber war er dem großen Strategen und besten Freund nun so nah, daß es ihm als Verrat erschienen wäre, umzukehren und den Untergang nicht zu teilen. Und wenn es jetzt geschehen sollte, wäre ohnehin alles verloren, ihr Winterlager würden die Konsuln dann vor der Isthmos-Mauer von Qart Hadasht aufschlagen, und die finstere Annahme einer Niederlage innerhalb der nächsten fünf Jahre nahm sich plötzlich wie hoffnungsfroher Leichtsinn aus.
Als er die Führer entließ und allein mit den Eseln bei einer Baumgruppe übernachtete, war er noch zwei Wegstunden von Cannae entfernt. Weder punische noch römische Streifen durchzogen das Land; Antigonos nahm an, daß die Schlacht, zu der alle verfügbaren Truppen gebraucht wurden, unmittelbar bevorstand.
Sosylos begrüßte ihn hastig und mit schwermütiger Herzlichkeit und zerrte ihn förmlich zur halbzerstörten Burg von Cannae. Der hohe Turm stand auf einem Hügel; von oben gewann der Hellene einen guten Überblick über das Unheil, das sich bereits in Reih und Glied abzeichnete.
»Sie werden uns zermalmen«, sagte Sosylos düster. »Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, Tiggo; aber das Preislied auf den toten Strategen ist trotzdem nicht fertig geworden. Ob…«
Antigonos unterbrach ihn. »All diese Lager, auf beiden Seiten des Flusses. Was soll das?«
Sosylos ächzte. »Hin und her, her und hin, heute so und gestern anders. Unser Lager auf dem Südufer« – er deutete auf ein verlassenes Geviert westlich der Burg – »war sehr gut, um im Land herumzuziehen und zu, eh, ernten. Die Römer haben ihr Hauptlager drüben aufgeschlagen.«
Undeutlich sah Antigonos weit im Nordosten Umrisse von Befestigungen.
»Dann sind sie über den Fluß gekommen und haben ein kleineres Lager auf diesem Ufer gemacht. Damit wir nicht ungestört herumreiten und plündern. Darauf hat Hannibal unser Lager aufs Nordufer verlegt, um die Römer zu reizen.«
Das neue Lager, jenseits des Flusses, lag fast genau gegenüber dem alten aufgegebenen. Die Römer, führte Sosylos aus, betrieben ein besonders spannendes Spiel: wechselnden Oberbefehl. Der Patrizier Aemilius Paullus sei für abwarten und zögern, wie der ehemalige Diktator Fabius; der Plebejer Terentius Varro wolle sich schlagen.
»Heute hat Terentius den Oberbefehl. Bitte sehr.« Er deutete auf die Heere, die am Südufer des Aufidus gegeneinander vorrückten. Das Geplänkel der Leichtbewaffneten hatte bereits begonnen. Der Lärm war gedämpft, er kam aus der Ferne. Die punische Aufstellung zog sich, fast genau rechts der Burg, weit nach Südosten; am nahen, linken Flügel sah Antigonos Trupps keltischer Reiter und iberischer Kataphrakten. Fast sieben Stadien entfernt, fast lautlos, fast nur an den Feldzeichen zu erkennen.
»Nie gab es solch einen Abend und solch eine Nacht«, sagte Sosylos. »Alle haben gewußt, daß es heute zur Schlacht kommt. Niemand, weder bei den einfachen Kriegern noch bei den Offizieren, hat sich auch nur den Hauch eines Schattens eines Traums von einer Siegesmöglichkeit ausgerechnet. Und trotzdem zweifelt keiner daran, daß heute abend das römische Heer vernichtet sein wird. Weil Hannibal es sagt. Niemand weiß, wie das Wunder geschehen soll, aber alle sind überzeugt, daß er es wirken wird. Sie haben gelacht und gesungen, als sie über den Fluß kamen, um sich aufzustellen.« Der Spartaner schüttelte den Kopf; seine Augen waren geweitet.
»Wie sind sie verteilt? Wer befiehlt?« Antigonos kniff die Augen zusammen. Staub stieg auf; die Sonne stand im Südosten und würde in weniger als einer halben Stunde die Römer blenden. Wenn die Reihen dann noch standen. Durch den dünnen Staubvorhang waren die massierten, tief gestaffelten Reihen des römischen und latinischen Fußvolks zu sehen. Das heißt, sie waren nicht zu sehen – zu erkennen war lediglich eine unermeßliche, unglaublich dichte Phalanx.
»Hier links« – Sosylos deutete auf die Reiter am Flügel – »die iberischen Kataphrakten, noch ungefähr zweitausend, und an die fünftausend Kelten, meistens Insubrer. Hasdrubal der Graue befehligt sie; er hat den Monomachos und Bonqart als Unterführer.«
»Hasdrubal bei den Reitern?«
Sosylos nickte und hob gleichzeitig die
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