Hanibal
Sie wurden entwaffnet; bald darauf erschien der Punier Budun mit Leichtbewaffneten und ein paar Hundertschaften Libyern und übernahm die Bewachung.
Am frühen Abend bewölkte sich der Sommerhimmel, es fiel jedoch kein Regen. Antigonos trieb mit Hilfe von Sosylos und ein paar Iberern seine Esel durch den Aufidus zum punischen Lager. Der Untergang der Sonne entzog das dunkle blutige Feld den Blicken. Kleinere Trupps von Fußkämpfern – Mago und Hannibal Monomachos leiteten diesen Teil des Unternehmens – waren seit dem Nachmittag unterwegs zwischen den Leichenbergen, zusammen mit gefangenen Römern. Zählen, sichten, entkleiden, Waffen und Schmuck sammeln, die Leichtverletzten bergen und die Schwerverwundeten töten. Den größten und schlimmsten Teil des schlimmen Werks erledigten die fast willenlosen, von ihrer unvorstellbaren Katastrophe betäubten Gefangenen. Ihre Aufgabe war es auch, unter den Toten die Vornehmsten zu benennen und gesondert zusammenzutragen. Andere Truppenteile verfolgten noch immer Flüchtende; weitere schlossen die beiden römischen Lager ein, in denen sich Überlebende verschanzt hatten.
Unter dem bewölkten Himmel, der allmählich schwarz wurde, glitzerten Tausende kleiner Feuer in der Ebene. Hasdrubal der Graue, der den Befehl über die Reiter Muttines und Maharbal übergeben hatte und sich um das Lager kümmerte, nahm plötzlich den Arm des Hellenen, deutete nach oben und dann auf die Feuerstellen.
»Siehst du, Tiggo? Nun wärmen wir uns an den Sternen, die Hannibal vom Himmel geholt hat.«
»Du hast auch nicht geglaubt, daß es möglich ist, oder?«
Hasdrubal hob langsam die Hände über den Kopf und ließ sie wieder sinken. »Geglaubt? Was heißt geglaubt? Ich habe gewußt – wir alle, Mago und Maharbal und Hanno und die anderen, wir alle haben gewußt, daß es unmöglich ist. Daß wir heute abend tot sein werden.« Er zuckte mit den Schultern.
»Aber er hat gesagt, daß es zu scharfen ist. Und da haben wir alle gleichzeitig gewußt, daß wir siegen werden. Wir haben beides gewußt, daß es geht und daß es nicht geht.«
Antigonos ließ sich auf die Knie sinken und zupfte an der Purpurschärpe. Gold auf eingefärbtem Leinen; der Stoff lag auf Kisten, die er verdeckte, und Sturzbäche von Münzen, begrenzt durch Barren und kanalisiert von Falten, ergossen sich auf den Boden von Hannibals Zelt. Ganz oben thronte der Sitzende Melqart. Einige von Hasdrubals Männern kamen und gingen; sie brachten besondere Beutestücke – Feldzeichen der Legionen, römische Münzen, prunkvolle Offiziersrüstungen. Zwei parallele Hecken aus römischen Lanzen und Feldzeichen führten aus der Mitte des Lagers zum Zelt. Zwischen ihnen war der Boden bedeckt mit den Togen gefallener Senatoren, die diese unter der Rüstung getragen hatten; mit Schwertern und Schwertscheiden; mit verzierten Stücken vom Zaumzeug römischer Ritter.
»Aber wie ist das möglich – beides gleichzeitig wissen und doch handeln?«
Hasdrubal legte ihm die Hand auf die Schulter. »Laß gut sein; du hast genug gezupft, Freund. – Wie es möglich ist? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß bei ihm alles möglich ist. Wenn er sagen würde: Wir ziehen durch diese Wüste, ich kenne Brunnen – aber wir wissen, daß es keinen Brunnen gibt; dann würden wir mit ihm ziehen, weil wir eben wissen, daß er Brunnen findet.«
Antigonos stand auf und betrachtete den grauen Punier, den harten erfahrenen Offizier und Lagerordner, den Meister der Versorgung, der an nichts und an keinen Gott glaubte.
»Und wenn Hannibal nun sagte, ich kenne den Weg auf den Olympos und will Zeus seine Blitze abnehmen?«
Hasdrubal stutzte; dann grinste er. »Ah, deine hellenischen Götter. Ja. Aber egal, ob Zeus oder Baal oder Melqart – ich würde mitziehen. Ich weiß, daß es Zeus nicht gibt, aber ich weiß auch, daß Hannibal die Blitze finden wird.«
Hannibal war bei den Verwundeten gewesen; nun ritt er, wie einer der Punier sagte, um die römischen Lager und beriet sich mit Bonqart und Bityas, die für die Einschließung zuständig waren. Antigonos vermißte Memnon, sagte sich aber, daß sein Sohn nach der Schlacht andere Dinge zu tun hätte und nicht im Feldherrnzelt zu einer Feier erscheinen würde.
Die übrigen Offiziere waren längst eingetroffen, nach und nach; ebenso die beiden Vertreter der Dreißig Ältesten des Rats von Qart Hadasht. Alle standen vor dem Zelt herum, vor dem Beginn des triumphalen Heckenwegs. Viele von ihnen hatten
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