Hanibal
mit dem sie geschlossen wurden. Die Nachricht von Hasdrubals bevorstehendem Abzug nach Italien ließ das Land überall aufflammen; erst auf drängende Briefe Hasdrubals hin schickte der Rat von Qart Hadasht einen unerfahrenen Unterstrategen namens Himilko mit etwa zehntausend Libyern und tausend Numidern nach Iberien – dort sollte er für Ruhe sorgen, nach Hasdrubals Abmarsch.
Wie um zu beweisen, daß sie die hohe Kunst sinnloser Verwirrung wahrhaft vollkommen beherrschten, griffen die beiden Ältesten in Hasdrubals Lager auch noch in Einzelheiten der Vorbereitung und Ausführung ein. Hasdrubal plante, die von Publius Cornelius Scipio geführte römische Flotte angreifen zu lassen, die Cornelier damit zu trennen, Gnaeus Cornelius durch kleine Störtrupps und falsche Nachrichten ins Hinterland zu locken und dann an der Küste zu den Pyrenäen vorzudringen, ohne sich auf zeitraubende und blutige Gefechte mit den Römern einzulassen. Die Ältesten entschieden anders: Die Flotte sei zu kostbar, um sie bei einem Angriff aufs Spiel zu setzen, und vor dem Abmarsch nach Italien habe Hasdrubal das römische Heer am Iberos zu vernichten. Und zwar sofort, ohne lange Ruhepause nach dem Zug gegen die Tartessier, ohne Neuordnung, ohne Flankenschutz durch zusätzliche Kräfte – Himilkos Truppen sollten im Süden Iberiens bleiben. Das erschöpfte Heer wurde von den vereinten Corneliern in der Nähe des Iberos geschlagen und beinahe zur Hälfte vernichtet.
»Ich frage mich manchmal, wieviel dein Bruder noch schluckt, bis er die Ältesten umbringt. Oder alles fallenläßt.« Antigonos rekelte sich vor dem großen Feuer; er hatte eine angenehme lange Redenacht mit Memnon und einen langen Tagschlaf hinter sich; sein Sohn war am frühen Nachmittag losgeritten, um die übliche Runde bei den vorgeschobenen Lagern zu machen. Hannibal, von sechsstündigem Ritt zurückgekehrt, saß mit bloßem Oberkörper auf einem Schemel, das Gesicht zum Feuer. Er hielt einen Becher mit warmem Würzwein in der Hand. Pacuvia rieb ihm den Rücken mit Öl und duftender Salbe ein.
»Er wird beides nicht tun.« Hannibal seufzte genüßlich, als Pacuvias Finger eine verspannte Stelle behandelten. »Beides wird er nicht tun, Tiggo. Er… er ist ein Barkas.«
»Trotzdem. O Stratege, eure Treue zu der Stadt, die ihr kaum kennt und die euch immer wieder in den Rücken fällt, hat etwas Göttliches. Entweder ist sie ein göttliches Mysterium, oder göttliche Dummheit.«
»Göttliches Blut«, sagte Pacuvia. Sie lächelte und knetete.
»Vielleicht. Das Gewicht von Blut und Geschichte und Überlieferung, Tiggo.«
Der Hellene starrte in seinen Becher. »Ich verstehe euch nicht. Nicht ganz. Es gibt doch Grenzen.«
Hannibal räusperte sich. »Glaubst du, ein Quintus Fabius Maximus würde zu uns überlaufen, wenn der Senat ihn enteignete? Zum Beispiel?«
Antigonos dachte lange nach. »Nein. Er würde sich als einfacher Legionär zu den Feldzeichen begeben. Vermutlich.«
»Eben.« Es klang, als ob damit alle Probleme erklärt und gelöst seien.
»Und Mago? Meinst du, auch er ließe sich so behandeln wie Hasdrubal – ohne selbst einen Aufstand zu machen?«
»Auch Mago, ja. Er ist mein Bruder und Hamilkars Sohn.« Mago war längst abgereist. Er hatte einen Teil der Truppen weiter in den Süden geführt, um bruttische Städte mit sanftem Nachdruck zum Übertritt zu bewegen; anschließend war er mit etlichen Scheffeln von Ringen, Schwertgehängen und sonstigem Schmuck, den man toten Römern bei Cannae abgenommen hatte, nach Qart Hadasht gereist:
Botschafter seines Bruders, Mittler zwischen Stratege und Stadt, Überbringer der Wünsche des Feldherrn.
»Glaubst du, er bekommt, was du haben willst?«
Hannibal runzelte die Stirn und wiegte den Kopf. »Nach den schlechten Nachrichten aus Iberien? Ich fürchte, der Rat wird zuerst ans Silber denken und Truppen für Iberien werben.«
»Aber ohne Nachschub…«
»Ich brauche Leute, ja. Ich weiß noch nicht… Mal sehen , was das Frühjahr wirklich bringt.«
Die Römer mit ihren Festungen und kleinen Besatzungstruppen konnten Hannibal nicht bei größeren Unternehmen stören, aber sie zwangen ihn, sie unausgesetzt zu beobachten. Dafür mußte er Kämpfer abstellen. Er mußte Kämpfer abstellen, um wichtige Straßen zu beobachten, und andere Kämpfer, um von Römern bedrängte Städte zu schützen, die sich auf seine Seite gestellt hatten. Capua und die anderen neuen Freunde, die bisher Waffendienst für Rom hatten
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