Hanibal
Hauptstadt, ein Gemenge aus Matsch, Mist und Marmor, legte ihm eine neue Sicht der Dinge nah: Alexandros mochte nur deshalb zu seinen Eroberungszügen aufgebrochen sein, damit er nicht in Pella wohnen mußte.
Philippos zeigte eine gewisse Begeisterung für Hannibals Vorschläge und Angebote; man kam überein, im Frühjahr einen Vertrag zu unterzeichnen, der im wesentlichen Hannibals Wünschen entsprach. Philippos machte auf Antigonos mehrere Eindrücke; keiner von ihnen war besonders gut, und jeder löschte die anderen aus. Der Makedone schien ständig zu schwanken. Er war begeistert, am nächsten Tag von Zweifeln zerfressen; siegessicher und niedergeschlagen; er plante nach Norden und blickte nach Süden, gab sich weise und gnädig, rachsüchtig und kleinmütig, setzte in großen Reden ganze Königreiche aufs Spiel und geriet außer sich, wenn er beim Würfeln auch nur einen Obolos verlor (die Einsätze am Hof waren klein) – Fuchs und Schakal, Löwe und Hyäne, Muräne und Schweinsfisch. Zufällig sah Antigonos am Tag vor seiner Abreise die Warfen des Königs; die Scheide war golden, besetzt mit indischen Edelsteinen, aber die Klinge des Schwerts war schartig.
Der Winter hatte bereits begonnen, als er die italische Ostküste wieder erreichte. Es wurde ein milder Winter, und freundlich war auch die Stimmung im Land. In mehreren Städten gab es noch römische Truppen, aber die meisten Apulier, fast alle Samniten, viele Lukaner, Hirpiner und Bruttier, alle in langen blutigen Kriegen von Rom unterworfen, hatten sich auf Hannibals Seite gestellt. Die großen italiotischen Städte wie Taras, Metapontion, Lokroi und Rhegion zögerten noch. Aber mit wenigen Ausnahmen war der gesamte Süden Italiens entweder auf punischer Seite oder zumindest nicht mehr auf der Roms; Geheimgesandtschaften aus Taras und Metapontion ließen den Strategen wissen, es sei ihnen zwar noch nicht möglich, offen für ihn zu sprechen, unter anderem wegen der römischen Besatzungstruppen, man werde aber auch nichts mehr gegen punische Flotten unternehmen, die zum Beispiel in kleineren Häfen Nachschub anlanden könnten. Die Häfen wurden benannt.
Unangenehm war die alte Feindschaft der großen kampanischen Städte. Das reiche Capua hatte sich für Hannibal entschieden und damit fast zwangsläufig das ebenso alte und reiche, wegen seiner Seelage jedoch beinahe wichtigere Neapolis noch näher zu Rom getrieben, ebenso das heilige Kyme-Cumae.
Zunächst mochte Antigonos Capua keineswegs; zu glatt, zu ordentlich, zu aufgeräumt. Die Bewohner, die Latein mit mehreren Vermischungen sprachen, hielten die Stadt für mindestens ebenso alt wie Rom. Zunächst sei sie von Oskern gegründet, dann von Etruskern genommen, schließlich von Samniten ausgebaut worden. Rom hatte vor hundertzweiundzwanzig Jahren Capua und die Umgebung erobert, wenig später durch den Bau der Via Appia das ganze Gebiet für römische Truppen und Siedler erschlossen. Aber die rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßen, die sauberen Häuserblocks, die überaus ordentliche Ordnung und nüchterne Üppigkeit der Stadt waren nicht römisch. Die westöstliche Hauptstraße, etwa zweieinhalbtausend Schritte von Stadttor zu Stadttor, war längst vor Anlegung der Via Appia so gerade gewesen; die römische Marschstraße, die von Casilinum im Nordwesten nach Calatia im Südosten Capuas verlief, hatte an der Straße die Richtung geändert und die Hauptstraße gewissermaßen verschlungen. Nordsüdlich trennten etwa zweitausend Schritte die schweren Mauern voneinander; in diesem Rechteck der Stadt gab es alles, was die Truppen so lange entbehrt hatten. Bäder, nicht nur das kupfern überwölbte achteckige Bad der Reichen, gespeist von heißen Quellen; Tavernen, hinter deren glatter Vorderseite ebenso gezecht, geflucht und gelogen wurde wie in allen Kaschemmen der Oikumene; Garküchen, in denen die tausend Feldfrüchte und Ackererträge der reichen kampanischen Ebene verarbeitet wurden, mit dem Fleisch von Rindern und Lämmern, Süßwasserfischen und Wild.
Und vor allem gab es Frauen. Vor Jahrzehnten hatte Capua von Rom eine Abart des latinischen Bürgerrechts erhalten – Capuaner durften sich als römische Bürger fühlen, ohne Stimmrecht zu besitzen, und hatten durch Zahlung von Abgaben und Stellung von Truppen dafür zu danken. Der letzten Zählung zufolge konnte Capua einschließlich seiner Umgebung fast dreißigtausend Fußkämpfer und viertausend Reiter stellen; nach den Gefechten der
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