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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bringen zu lassen. Der Hellene gehörte zu den Männern, die im Fall einer völligen Niederlage und Zerstörung von Qart Hadasht im Triumph nach Rom gebracht würden; falls es nicht zur Zerstörung, sondern zu einer Umwandlung der punischen Metropole und ihres Umlandsineine römische Provinz käme, wäre der Herr der Sandbank wichtig für den Neuaufbau von Land und Handel.
    Es gab aber einen weiteren Grund, den Antigonos nach und nach aus Gesprächsfetzen heraussiebte: Angst. Zunächst fiel es ihm schwer, diese Angst wahrzunehmen oder gar für begründet zu halten. Je älter das Jahr wurde, desto klarer sah er jedoch die Umrisse der römischen Befürchtungen. Vor allem bezogen sie sich auf Hannibal, der fünfzehn Jahre lang mit geringen Mitteln und einem kleinen Heer Italien beherrscht, Konsuln besiegt, Rom bedroht hatte und schließlich ungeschlagen abgezogen war. Zweitens wußte Cornelius zu gut, wie es in den Ländern am Meer aussah – Iberien besetzt, aber unruhig; punische Restverbände und aufständische Kelten in Norditalien; mühsam übertünchte Risse im latinischen Bündnis; Süditalien weitgehend entvölkert, Städte zerstört, Äcker und Felder unbebaut; überall mußte Rom seine Legionen stehen lassen, um mit Gewalt den Zusammenbruch zu verhindern, auch auf Sardonien, Sizilien und Kyrnos. Die letzte Volkszählung hatte wieder zweihundertvierzehntausend waffenfähige Bürger ergeben, aber diese Zahl war ein Traum. Mehr als die Hälfte der Waffenfähigen, darunter auch Teile der aufgestellten Legionen, konnte keinen Waffendienst tun, sondern mußte Schäden ausbessern, die Landwirtschaft notdürftig in Gang halten, Banden von Mordbrennern bekämpfen, die Italien durchzogen, oder Festungen und Stadtbesatzungen ergänzen, um in Sizilien und den italiotischen Gebieten Aufstände zu verhindern. Die etwa zwanzig Legionen – genaue Zahlen kannte der Hellene nicht –, die in Iberien, Italien, dem italischen Gallien, auf Sizilien, Sardonien, Kyrnos und mit Scipio in Libyen standen, stellten alles dar, was Rom noch aufbieten konnte. Nach und nach mochten noch einmal kleinere Verstärkungen ausgehoben werden, kleinere Mengen an Nachschub für die Truppen des Corneliers. Vielleicht ließe sich sein Heer von acht auf zehn Legionen bringen, in einem Jahr; aber Rom war erschöpft, ausgeblutet, die Verbindungswege überdehnt. Qart Hadasht dagegen schien über eine große Flotte zu verfügen und sie nicht zu nutzen; die Dörfer des von den Römern besetzten Hinterlands konnten weder Nahrung noch Kämpfer liefern, aber es schien keine Schwierigkeiten mit der Versorgung zu geben – Qart Hadasht wurde über den Seeweg ernährt. Das hieß nicht nur, daß die römische Flotte zu schwach war, die Stadt abzuriegeln; es hieß auch, daß der ganze Osten und Süden der punischen Länder noch frei war – und dort stand Hannibal. Der punische Staatsschatz mochte leer sein, aber der Reichtum von Qart Hadasht war längst noch nicht erschöpft.
    Und ebenso, wie die Herren des punischen Rats seit Jahrzehnten, zwei Kriege und die Zeiten des Friedens hindurch, Rom, Roms Härte, Roms Zähigkeit, Roms ausschließlichen Herrschaftswillen und Machtanspruch falsch beurteilt, mit den eigenen milderen Maßen gemessen hatten, ebenso rechnete Publius Cornelius Scipio nun mit punischen Maßnahmen, die römischem Denken entsprochen hätten. Etwa dies:
    vorübergehende Unterstellung von allen und allem unter Einen – wie Rom sich Fabius Maximus und lunius Pera als Diktatoren unterstellt hatte. Der Diktator konnte nur Hannibal heißen; er würde die zerstreuten Flotten zusammenfassen, die Reichen zur Zahlung von Geld an den Staatsschatz zwingen, aus der Bevölkerung der Stadt mindestens fünfzigtausend Waffenfähige ausheben, aus dem fernen libyschen Hinterland weitere Kämpfer dazuholen. Die Masaesyler waren nicht geschlagen; Syphax’ Sohn Vermina schien neue Truppen zusammenzuziehen, und Roms Bundesgenosse Masinissa war mit der Regelung seiner Ansprüche so sehr beschäftigt, daß er nur einige tausend Krieger in eine Schlacht mitbringen konnte, aber kein gewaltiges Heer.
    So sahen die Dinge aus – wenn man sie nicht mit den Augen der punischen Ratsherren betrachtete. Die Dreihundert, gleich ob »Alte« oder Barkiden, waren weder zum Krieg noch zum Frieden fähig, wie sie bewiesen hatten. Antigonos zweifelte keinen Augenblick daran, daß das Heer des Cornelius, auch verstärkt durch Masinissa, zu vielen kleinen Stückchen eines schwarzen

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