Hanibal
»Friede.
Wein.
Bücher. Söhne und Töchter. Freunde. Dafür sorgen, daß das Elend abnimmt und die Freude sich mehrt. – Tiggo, ich habe ihn so oft in den Armen gehalten. Er ist klug und sanft, sein Körper ist immer noch der eines jungen Kriegers. Aber sag mir, wenn du kannst – hilf mir, wenn ich das erbitten darf: Habe ich das Recht… Es ist, als ob ich etwas allein besitzen wollte, was der ganzen Oikumene, dem Kosmos gehört.«
»Er ist ein Mann, kein Gott, Elissa. Er hat gelacht und geweint und getrunken und getötet, bei Frauen gelegen und die Welt zum Staunen gebracht. Aber ich habe ihn nie so ruhig und … so geebnet gesehen wie hier. Er hat, zu früh, die Wärme und Geborgenheit der Fürstin Kshyqti verloren. Ein wenig davon , sagt er, hat er als Kind dann in meinem Haus gefunden. Sein Vater, der große Hamilkar, hat ihn geliebt, aber so, wie sein Leben beschaffen war, konnte er den Söhnen keine Wärme geben. Hannibal hat der Stadt mehr gegeben, als sie haben wollte, und der Oikumene mehr, als sie wert ist. Du, Elissa, gibst ihm alles, was er sich je gewünscht hat. Von Menschen gewünscht, nicht von der Muse der Geschichte.«
»Ich kenne ihn und kenne ihn gar nicht. Erzähl mir… ich bin nicht neidisch auf Dinge, die vorher waren, aber ich will mehr wissen. Erzähl mir von den Frauen.« Ihre Nägel bohrten sich in seinen Arm. »Auch von schlimmen Dingen, wie sie im Krieg geschehen.«
Antigonos löste ihre Hand von seinem Arm, streichelte sie.
»Er hat in all den Jahren nie eine Frau mit Gewalt genommen, entehrt, mißhandelt oder geschändet.« Ohne seine Worte sorgfältig zu wählen, erzählte er. Als die ersten trunkenen Schläfer sich regten und die Tiere in den Ställen und auf den nahen Weiden laut und ungeduldig wurden, hatte er von vielen anderen Menschen und Dingen geredet, von yama und Ylan, Isis und Tsuniro, Memnon und Ariston, Hasdrubal und Mago, den Gesprächen mit Cornelius Scipio, der gelassenen Trauer, mit der ihn die Nachricht vom Untergang jenes Schiffs erfüllt hatte, mit dem Tomyris in einen Sturm gesegelt war… Er beugte sich vor und ergriff die Hände der Frau, die Hannibal liebte.
»Glück läßt sich nicht anordnen oder mit Gewalt bewahren, Elissa. Scheußliche Rede eines alten Mannes. Wenn es da ist, nimm es in die Arme und drück es an dein Herz; frag nicht, ob die Götter, die es nicht gibt, sich bei der Zuteilung geirrt haben, ob es anderen, der Oikumene, dem Kosmos zustünde. Wenn es Götter gäbe, gäbe es gar kein Glück für die Menschen, denn die Götter würden es für sich behalten und neidischer hüten als das Feuer, das angeblich Prometheus ihnen stehlen konnte. Was ist schon das Feuer, verglichen mit der Liebe?«
Sie lächelte müde und traurig, kniete vor ihm und küßte ihn auf beide Wangen. »Ich danke dir für eine kostbare lange Nacht.«
»Bedank dich nicht für eine unwichtige Gabe, durch deren Annahme du dem Geber ein großes Geschenk gemacht hast.«
Plötzlich kicherte sie. »O Tiggo – der Stratege ist klug und weiß, was er von dir zu halten hat. Er liebt dich; ich habe ihn vor Stunden gesehen, wie er uns sah und lächelte. Er hat gesagt, daß du immer zu allem Guten Besseres hinzufügst. Aber… ich habe noch eine Frage. Nicht als Elissa, nicht als Geliebte des großen Hannibal, nicht als Frau, die dich in Qart Hadasht oft besuchen wird. Sondern als Witwe des Großneffen von Hanno der Viper.«
Antigonos verdrehte die Augen. »Du schändest die vergangene Nacht, indem du diesen Namen nennst.«
»Trotzdem. Hannibal sagte, er habe den Namen gelesen, den du in Hannos Fleisch geschnitten hast. Er wollte mir aber nicht erklären, was er damit meint.«
Antigonos setzte sich auf. »Hat er das gesagt? Schwarzer Daimon!«
»Was hat er gemeint, Freund?«
»Hanno der Große starb zu Füßen seines Gottes, wie es sich geziemt. Ich habe nichts in sein Fleisch geschnitten.«
Elissa legte die Hände an seine Wangen; ihre dunklen Augen saugten alle Kraft zu lügen aus dem alten Händler heraus. »Es hieß damals, Gott Baal habe in seiner Gnade das Herz seines Hohen Priesters bersten lassen. Ich habe ihn immer gehaßt und war traurig über dieses ehrenwerte Ende.«
Antigonos seufzte und legte seine Hände auf die von Elissa , die immer noch seine Wangen hielten. »Auch nach weiteren zweiundsiebzig Jahren werde ich Punier nicht verstehen. Und Punierinnen. Du, Gefäß aller Liebe und Schönheit, kannst hassen?«
Aus ihren Augen spritzte schwarzes
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