Hanibal
Dies ist das erste neue Gesetz, über das wir eine Abstimmung erbitten – jetzt, sofort. Ihr wißt, daß ich nicht geizig bin. Neun Zehntel des Vermögens, das meine Väter erworben haben, habe ich im Krieg für euch ausgegeben, als der Rat mir keine Truppen bezahlen wollte. Vom letzten Zehntel werde ich die Hälfte in den Schatz der Stadt zahlen. Von euch erbitte ich ein Gesetz, daß jeder, der mehr als fünfzig shiqlu besitzt, von seinem Vermögen ein Hundertstel als Notabgabe an die Stadt zahle.«
Er wartete, gelassen und scheinbar völlig ungerührt, bis der Lärm sich legte. Die bei der Wahl anwesenden Ratsherren fuchtelten mit den Armen und schrien durcheinander.
»Ich weiß, daß die Bürger der Stadt niemals Abgaben haben zahlen müssen – aber die Stadt war niemals in einer so schlimmen Lage. Ich schlage dieses Gesetz vor; Bonqart ebenfalls. Wir haben überlegt, wie die Abgabe geleistet werden kann, gerecht und ohne Schaden für die Bürger und die Stadt. Wenn ihr einverstanden seid, sollten die Gilden und Zünfte von Qart Hadasht hundert rechtschaffene Männer auswählen, die lesen und schreiben können, die Gesetze kennen und achten und sich nicht bestechen lassen. Diese Hundert sollen den Kämmerer beraten. Wer über sein Vermögen keine Angaben machen will oder Angaben macht, die unglaubhaft scheinen, soll von den Hundert geschätzt werden. Große Geschäfte oder Banken, die nicht einer Person, sondern vielen gehören, sollen nicht nach dem Vermögen, über das sie ja reicht verfügen können, sondern nach ihrem Gewinn eine Abgabe leisten – ein Zehntel des Gewinns im zu Ende gehenden Jahr.«
Suffeten und Ratsherren sowie die anwesenden Mitglieder des Gerichts der Hundertvier berieten, aber vergebens. Die neugewählten Suffeten schlugen ein unerhörtes Gesetz vor, brachen mit Überlieferungen und Gebräuchen – aber die Gesetze der Stadt gaben ihnen die Möglichkeit, dies zu tun.
Die Abstimmung zog sich lange hin. Nicht, weil es Zweifel am Ergebnis gegeben hätte, das ebenso eindeutig war wie die Suffetenwahl, sondern weil immer wieder Ratsherren und Richter in die Menge liefen, redeten, fuchtelten, beschworen. Fast eine Stunde verging, bis Hannibal und Bonqart das zweite Gesetz zur Abstimmung brachten – ein Gesetz, das einem Umsturz gleichkam.
Hannibals kühle Stimme erörterte das Vorhaben, als ob es um eine Alltäglichkeit ginge.
»Aus den reichsten und ältesten Häusern der Stadt werden die dreihundert Herren des Rats gewählt. Dreißig von ihnen bilden den Rat der Ältesten. Aus denen, die nicht zu den Großen Dreihundert gehören, aber ihnen nahekommen, bestimmt der Rat die Hundertvier – die Richter, die unsere Gesetze wahren. Rat und Hundertvier bestimmen die Zusammensetzung der fünfköpfigen Ausschüsse, die über wichtige Einzelfragen entscheiden, die Zollerhebung beaufsichtigen, für Ruhe in der Stadt sorgen und so weiter. Es mag ehrbare Männer unter ihnen geben« – gewaltiges Gelächter –, »aber daß Reiche auf Lebenszeit für hohe Ämter bestimmt werden und andere Reiche nach dem Tod der alten Amtsträger ihre Nachfolger werden, erscheint Bonqart und mir … nun ja, unklug. Die Reichen und Weisen haben Qart Hadasht lange und geschickt geleitet; sie haben bisweilen Fehler gemacht, wie jeder Mensch. Aber die Stadt und das Land bestehen nicht nur aus Reichen und Weisen. Wir schlagen daher vor, daß ihr, die Bürger von Qart Hadasht, in den Stadtteilen, in den Zünften, in den Gilden, in den Arbeitsausschüssen tausend rechtschaffene, ehrliche Männer bestimmt, die lesen und schreiben können und die Gesetze achten und kennen. Diese Tausend stellen sich am Tag nach der Übernahme der Ämter durch die neuen Suffeten euch, der Volksversammlung, zur Wahl. Aus diesen Tausend werden die Hundertvier Richter gewählt – jedes Jahr neu, nicht auf Lebenszeit. Sie erhalten während ihrer Amtszeit eine Bezahlung von der Stadt, damit sie weder von anderen Geld annehmen noch hungern müssen. Nach einem Jahr treten sie ab; andere werden gewählt. Niemand kann zweimal gewählt werden. Die Amtszeit der bisherigen Hundertvier endet, wenn ihr zustimmt, am Tag des Amtsantritts der neuen Suffeten.«
Es war ein heißer Frühherbst, aber nicht die Sonne ließ die ganze Stadt brodeln, bis zum Beginn des neuen Jahres und lange danach. Die wüsten Kriege des Friedens begannen. Wenige Tage nach Übernahme der Ämter legten die neuen Suffeten dem Rat und den neuen Richtern Stapel und Berge von
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