Hanibal
während dieses einen Mondes gezeigt hatte, sobald es um das Sterben, das Töten, das Getötetwerden ging. Er hatte die Knoten in der Brust, auf dem Rücken, an der Innenseite der Schenkel gefühlt, aber da Isis nicht davon sprach, hatte er auch nichts dazu gesagt; bis es zu spät war, noch viel zu sagen.
Auf der Rückreise nach Qart Hadasht holte ihn das indische Sumpffieber ein. Vier Tage verbrachte er in der stickigen Kammer unter dem Achterdeck des Frachters, von Fieberbildern geplagt und mehr notdürftig als hilfreich versorgt. Jemand stellte ein Kupferbecken mit Weihrauch neben sein Lager, um die Fliegen und das Fieber zu vertreiben. Antigonos stürzte in eine nicht abreißende Reihe scheußlicher Träume, in denen Augen ihn betrachteten, beglotzten, aufsaugten, zerstückelten. Das rote Auge des Melqart, voll von einer fernen gelassenen Drohung; ein Auge von Isis, bittere Schwärze des Abschieds; das milde Auge des Gotamo, Stifters der sanften Lehre, zu der sich Indiens Herrscher Ashoka nach dem Gemetzel an Hunderttausenden in Kalinga bekehrt hatte, aber das Auge weinte; das Auge eines Winddämons, im Segel des Frachters gefangen, voll abgründiger Bosheit; die Augen der Königsschlange mit geblähtem Nacken, wogend; die Augen der tausend schrecklichen Götterstatuen im Verbotenen Tempel bei Pa’alipotra; die alle Kraft aussaugenden Augen eines Magiers in Charax; die brechenden Augen des sterbenden Räubers in Taprobane; der Sphingenblick des Fürsten der Rabenburg vor Kane. Dazwischen, in weniger scheußlichen Träumen, die langen Augen der chinesischen Händlerstochter, die Katzenaugen des Hermaphroditen im Tempel von Memphis, die schwarzgeschminkten Augen der Hetäre in Tadmor, und immer wieder die Augen von Isis. In einer halbwachen Phase bat Antigonos den Kapitän, die Weihrauchschale zu entfernen. All die Träume, die sämtlich mit Abstufungen des schweren Geruchs verbunden waren, endeten. Danach schlief er leichter; das Schiff stampfte, das volle Segel knatterte – Salz und knirschendes, atmendes Holz: Antigonos träumte sich zurück auf den arabischen Segler, Indien und Taprobane im Rücken, getrieben von den Schwingen des mächtigen Vor-Regen-Winds.
Qart Hadasht brodelte von Gerüchten und Neuigkeiten. Hanno »der Große« war mit einem gewaltigen Aufgebot an Elefanten, Reitern und Fußkämpfern – darunter Spartaner, Iberer, Kelten und Numider – ins Hinterland aufgebrochen, um ruhmvolle Schlachten gegen drei oder vier Dörfer verzweifelter libyscher Bauern zu gewinnen. Er ließ sich Zeit; seine Botschaften an den Rat und das Volk berichteten von grausamen, verschlagenen Gegnern und schwierigstem Gelände. Da seine Mittelsmänner gleichzeitig prächtige Gelage für die Stadtbewohner veranstalteten – an einem Tag wurden auf der Agora hundert Ochsen, vierhundert Wildschweine, tausend Hammel und mindestens fünftausend Hühner gemeuchelt; dazu gab es Wein und Milch in Kaskaden –, lachten nur die Punier und Metöken, die das Hinterland kannten.
Und Hamilkar hatte sich innerhalb von kaum zwei Monden einen Beinamen errungen: baraq, »Blitz«. Ohne neue Truppen – alle neu angeworbenen Söldner waren bei Hanno – und fast ohne Nachschub hatte er die Kämpfe früher begonnen als sonst üblich; der Krieg ging ins achtzehnte Jahr, und die Römer rechneten nicht damit, daß ein punischer Stratege neue Wege beschreiten könnte. Hamilkar baraq war für sie nicht zu berechnen. Er brach den Stellungskrieg auf, überrannte vorgeschobene römische Befestigungen, brachte allein durch seine Anwesenheit und sein Beispiel einen Haufen libyscher Fußsoldaten, die von Römern zurückgeschlagen worden waren, wieder zum Stehen und verwandelte die heillose Flucht in einen fast mühelosen Sieg gegen die allzu eilig nachsetzende Legion. Bisher war das Gemenge unterschiedlich bewaffneter Söldner aus vielen Völkern niemals imstande gewesen, den massierten, einheitlich ausgebildeten und ausgerüsteten Legionen zu widerstehen; Hamilkar nutzte erstmals die Vorzüge der Verschiedenartigkeit, paßte sich den Gegebenheiten von Wetter und Gelände an, rechnete mit bestimmten Zügen der Gegenseite und kam ihnen zuvor. Er setzte Späher ein – was fast alle seine Vorgänger unterlassen hatten –, vor allem Elymer. Die Einheimischen konnten sich überall einigermaßen frei bewegen, kannten sich aus, hatten Verwandte und Freunde in Dörfern und Städten, die im römisch besetzten Gebiet lagen, und sie waren gute Freunde
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