Hanibal
der Punier. In den Jahrhunderten ihrer Herrschaft hatten diese nie die Sitten der Elymer verletzt oder sich in die inneren Belange von Städten eingemischt. Als eine Legion und Verbände von verbündeten Hilfstruppen, zusammen fast fünfzehntausend Mann, aus einem rückwärtigen, stark befestigten Winterlager ausrückten, um in der Nähe von Eryx bedrohte Stellungen zu sichern, schickte Hamilkar numidische Reiter los, die die Marschierenden belästigten. Gleichzeitig zog er mit iberischen Schwertkämpfern und balliarischen Schleuderern über einen abseitigen Höhenrücken, eroberte und plünderte das nur schwach verteidigte Winterlager, brannte es nieder und griff am nächsten Tag, nach einem nächtlichen Gewaltmarsch, die von den Numidern verwirrten, lang auseinandergezogenen römischen Marschkolonnen von der Flanke an, in unübersichtlichem Gelände.
Aber die zehntausend Fußsoldaten und dreitausend Reiter, die er von Qart Hadasht als Verstärkung anforderte, um bis zum Ende des Sommers die Römer aus Sizilien zu vertreiben, kamen nicht; Hanno zog mit mehr als vierzigtausend Kämpfern gegen libysche Bauern und konnte keinen Mann entbehren.
Anders als der Rat der Stadt und vor allem Hanno und seine Parteigänger war der Nauarch Adherbal ein vernünftiger Mann; er gab Hamilkar, was er geben konnte. Als die Römer sich in besser zu verteidigende Stellungen zurückzogen und den Westteil Siziliens völlig räumten, reichten Hamilkars Kräfte nicht aus für eine sinnvolle Fortsetzung der Angriffe. Während seine Unterführer die gewonnenen Gebiete zu sichern versuchten und Adherbal mit einem Teil der Flotte die Schiffe von Syrakosai beschäftigte, fiel der »Blitz«, den die Römer auf Sizilien wähnten, mit den übrigen punischen Schiffen über römische Nachschubsegler her, verwüstete ungeschützte Häfen an der italischen Küste, brannte nicht weit von Rom Getreidefelder nieder und plünderte Vorratslager an den Straßen nach Süden.
In den ersten Jahren des Kriegs hatte Hamilkar als sehr junger Mann eine Pentere befehligt, dann sechs, dann vierundzwanzig; er hatte Söldner auf Klumyusa, in Iberien und bei den Numidern geworben; als unfähige Strategen Qart Hadasht unmittelbar in Gefahr brachten und die Hilfe des Spartaners Xanthippos brauchten, um Regulus zu besiegen, hatte Hamilkar einen Teil der Reiterei geleitet und in der entscheidenden Schlacht die entscheidende Umgehung gewagt. Antigonos wußte, daß Hamilkar – vermutlich als einziger – die wichtigen Schriften der hellenischen Strategen und Taktiker, vor allem die von König Pyrrhos, gelesen und immer wieder das Vorgehen der Römer studiert hatte, und er war nicht überrascht, als er eines Abends im Bad einen greisen Grundherrn von der Partei der »Alten« mit einem anderen Punier Hamilkar loben und verdammen hörte.
»Der Blitz schlägt überall ein; wer von uns soll ihn später in der Hand halten können?«
Der zweite Punier, fett und kahl, wälzte sich im warmen Wasser und prustete wie ein Flußpferd. »Wir haben es ja gewußt. Man hätte ihn niemals nach Sizilien gehen lassen sollen.«
»Andererseits… wollen wir verlieren?« Der Greis setzte sich auf und wischte sich das Gesicht.
»Nun ja, hier ein bißchen verlieren, dort ein bißchen gewinnen, was soll’s? Libyen ist wichtiger als Sizilien.« Antigonos behielt seine Meinung für sich, wenn er sich auch fast die Zunge abbeißen mußte. Er brauchte die Punier nicht zu fürchten, dazu war die Bank längst zu stark, aber er kannte die »Alten« und wußte, daß es vollkommen sinnlos war, mit ihnen zu reden.
Am nächsten Tag besuchte er Kshyqti, die kurz vor der Niederkunft stand. Sie hörte seinen Bericht an und breitete die Arme aus. Die Sonne hing schon tief, sie saßen auf der östlichen Terrasse, und Kshyqtis Bauch fing die letzten Strahlen ab, die über die Dachkante fielen. Der Schatten des Kegels, der bald ein Mensch sein würde, fesselte Antigonos.
»Wir wissen es doch alle, und Hamilkar hat es immer wieder gesagt – sie würden lieber verlieren als den ›Neuen‹ zustimmen.«
»Nur – Rom ist nicht Syrakosai. Es wird keinen Frieden geben mit einer Rückkehr zu den alten Grenzen und Bedingungen.«
Kshyqti klopfte mit der rechten Hand seitlich an ihre Wölbung. »Komm raus«, sagte sie halblaut, »Geschenk eines fremden Gottes. Wenn doch irgendein hiesiger oder fremder Gott diesen Krieg schnell beenden könnte. Was auch immer dies hier wird, Junge oder Mädchen, es sollte im
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