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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Mücken weckten.
    Einmal fuhren sie nach Alexandreia, wo Antigonos sich nach Schiffen erkundigte und mit einem Kapitän einig wurde, der bald nach Apollonia bei Kyrene auslaufen und, wenn Wind und Wellen es erlaubten, bis Sabrata weitersegeln wollte. In der Hafentaverne, einem riesigen Raum mit groben Tischen und Schemeln, von Qualm und Fett verfärbten Balken, blakenden Öllichtern und Fackeln saßen sie mit einem Mann am Tisch, der etwa fünfunddreißig Jahre zählte und sich über die Kapitäne des Meers, der Wüste und der Karawanenwege beklagte. Sein Name war Eratosthenes. Er schien ein wenig ungesund; die gelbliche Haut wirkte durch den schwarzen Bart noch kränklicher. Die Finger der Linken waren krumm wie Raubvogelklauen, die der Rechten von Tinte verschmiert. Es war kein besonders kalter Tag, aber Eratosthenes trug hohe Lederstiefel und mehrere Wollröcke übereinander. Er trank heißes Gerstenbier.
    Der Kapitän, ein stämmiger Kyprer namens Molo, musterte ihn abschätzig. »Die Klage gilt auch andersrum. Das Nichtwissen der Schreibenden, die Lücken der Gelehrten…« Er fuhr sich über die Knollennase und zog die Mundwinkel herab.
    Isis kicherte. »Eher zuviel als zuwenig. So habe ich es jedenfalls bei meinen Reisen gefunden. Zahllose Dinge, die von Gelehrten aufgezeichnet wurden, gibt es nicht und hat es nie gegeben.«
    Eratosthenes blickte bekümmert drein. »Zuviel von dem, was nicht stimmt, und zuwenig von dem, was tatsächlich ist. Ich weiß, ich weiß. Aber es ist nicht allein unsere Schuld – nicht allein die der Gelehrten. Es ist auch die Schuld der Reisenden, die falsche Auskünfte geben.«
    Antigonos spielte mit seinem Weinbecher. »Als Junge im Hafen von Karchedon habe ich tolle Geschichten von Matrosen gehört. Ich habe keine Silbe davon geglaubt, aber ähnliche Geschichten etwa bei Herodotos gefunden.«
    Eratosthenes seufzte. »Ja, ja, ja. Die Abhängigkeit von der Wahrheitsliebe des Berichtenden, das ist ein Problem. Aristoteles hat viele Gebiete bereist – ich glaube, seine Ausführungen über die Verfassung von Karchedon, die du ja wohl beurteilen kannst, sind nicht falsch.«
    Antigonos wiegte den Kopf. »Falsch nicht, sie sind nur ein wenig zu… heiter. Karchedons Verfassung ist, wie Aristoteles sie beschreibt; aber nicht so gut, wie er aus seiner eigenen Beschreibung ableitet. Das heißt, die Tatsachen stimmen, aber ihre Bewertung ist zu günstig.«
    »Trotzdem – es stimmt. Auch Herodotos ist weit gereist, und das, was er über die besuchten Gegenden schreibt, stimmt – aber er hat sich auch Lügen erzählen lassen über Gegenden, in denen er nicht war.«
    Der Kapitän zuckte mit den Achseln. Isis stützte die Ellbogen auf den Tisch und räusperte sich.
    »Meinst du Dinge wie die persischen Fettsteißschafe, deren Schwänze von den Hirten auf Bretter gebunden werden, Bretter mit Rollen darunter, weil die Tiere sich sonst nicht bewegen können?«
    Eratosthenes neigte den Kopf. »Eine gebildete Frau. Ja, solche Geschichten meine ich.«
    Molo knurrte etwas Unverständliches. Dann sagte er: »Aber das ist es doch gerade, Herr. Geschichten, die kein Bauer oder Matrose glauben würde, einfach weil sein solider und zweifellos enger Kopf sie nicht hinnehmen will. Aber einem gebildeten Stadtmenschen, einem Gelehrten der Bibliothek von Alexandreia zum Beispiel, kann man fast alles erzählen, weil er sich auf seinen unbeschränkten Verstand zuviel einbildet.«
    »Je mehr einer weiß, desto leichtgläubiger ist er? Meinst du das?« Eratosthenes blickte beinahe entsetzt.
    Antigonos lachte. »In gewisser Weise meint Molo das, denke ich. Aber du vergißt ein paar wichtige Dinge, Eratosthenes. Weite Reisen geschehen selten aus Neugier oder Wissensdurst. Händler suchen neue Märkte und neue Waren; Krieger wollen neues Land erobern. Händler, die etwas Neues gefunden haben, geben die Kenntnisse vielleicht ihrem Sohn weiter oder einem Handelsfreund, aber nicht anderen Händlern oder Gelehrten, die es dann aufschreiben und allen zugänglich machen würden. Und Krieger, die ein paar Lehmhütten in einem fremden Land erobert haben, machen eine gewaltige Festung daraus, damit man sie bewundert.«
    »Wenn du dies und das wissen willst«, sagte Molo, »dann sieh doch selber nach, statt mit deinem Arsch auf einem dicken Kissen zu kleben. Warum soll ich deine Arbeit für dich erledigen? Ich habe anderes zu tun.« Er grinste.
    »Ich habe gehört«, sagte Antigonos, »als Junge, in Karchedon, wie ein

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