Hanibal
endlich zum Mund.
Antigonos seufzte. »Sehr schön, und deine Zufriedenheit ist mir keineswegs unangenehm. Aber was hat der persische Arzt mit unserem Geschäft zu tun?«
Es gab viele derartige gegenseitige Befruchtungen. Goldschläger und Goldschmiede, die fast unter einem Dach arbeiteten, konnten besser die Bedürfnisse des anderen berücksichtigen; die Hersteller von Duftwasserfläschchen lernten neue Formen bei den Verfertigern von Alabastergefäßen; Elfenbeinschnitzer und Steinmetze entdeckten ungeahnte Gemeinsamkeiten. Eine Numiderm, die Straußenfedern zu Kopfputz, Fächern und ganzen Prunkgewändern verarbeitete, hatte einige Kniffe von den Flechtern gelernt, die punische und balliarische Gräser, Binsen und Schilfrohre zu Körben, Truhen und Möbeln machten. Teppich und Netzknüpfer, Weber, Seiler und Segelmacher tauschten Kenntnisse und Werkzeuge aus; es hatte sich sogar ein Ausschuß von Meistern gebildet – ihm gehörten Lederwerker ebenso an wie Töpfer, Hersteller von Masken und Büsten, Feinschnitzer von Elfenbein, Straußeneiern, Karneol und Jaspis, Erzgießer, Schmiede und Schreiner –, der Neuerungen erörterte. Das hatte eine Reihe verbesserter Werkzeuge ergeben, die selbst Handelsware wurden.
»Viel.« Lysandros setzte den Napf an den Mund, schlürfte den Breirest. »Sehr viel. Es ist so, o Antigonos, daß ich hier alles gefunden habe, was ich für den Rest meiner Jahre brauche. Beste Arbeit, gute Helfer, Zusammenarbeit, ein Ruderboot für diesen Binnensee, Wein und Gespräche. Wie ich sagte: ein Nirgend-Ort. Aber wer weiß – vielleicht ist es, wie du sagst; vielleicht ist es an der Bucht von Mastia noch besser. Es ist jedenfalls ein aufregender Gedanke, und ich werde ihn lange bedenken müssen, ehe ich ja oder nein sage. Aber was Düfte in Karchedon angeht, falls ich fortgehe…«
»Ja?«
»Vor drei Jahren hast du mir zur Hilfe eine Sklavin geschickt.«
»Nicht ich. Die Verwaltung.«
»Unwichtig. Sie ist schwarz. Damals war sie siebzehn, und nach ein paar Tagen habe ich festgestellt, daß sie für Arbeiten wie Putzen und Aufräumen zu schade ist. Sie hat eine Zunge und eine Nase…« Er schloß die Augen und sog Luft durch seine winzigen Nasenlöcher. »In all den Jahrzehnten habe ich nie jemanden gefunden, der mir wirklich helfen konnte. Aber sie… Natürlich fehlt ihr noch die Erfahrung, aber bald wird sie besser sein, als ich je war. Ihr Name ist Tsuniro.«
Der von Hamilkar und Lutatius Catulus ausgehandelte Vertrag war von Rom noch einmal verschärft worden. Qart Hadasht mußte ganz Sizilien und alle Inseln zwischen Italien und Sizilien räumen; beide verpflichteten sich, die Bündnispartner des anderen nicht zu behelligen und nicht im Gebiet der anderen Seite Truppen zu werben – nie wieder konnten italische oder sikeliotische Söldner für Qart Hadasht kämpfen. An Kriegsentschädigung waren sofort eintausend Talente zu zahlen, innerhalb von zehn Jahren in gleichen Raten weitere zweitausendzweihundert. Alle gefangenen Römer mußten sofort ohne Lösegeld freigelassen werden; für den Abzug der punischen Truppen aus Sizilien dagegen waren acht Schekel je Kämpfer zu bezahlen.
»Diese Silberberge!« Bostar ächzte und raufte sich die Haare.
»Wieviel Mann wird Hamilkar noch haben – dreißigtausend? Das wären allein…« Er rechnete.
Antigonos knurrte: »Sechsundsechzig Talente. Wann willst du endlich versuchen, wie die alten Ägypter zu rechnen, statt mit den Fingern und ein paar Tonperlen?«
Bostar ging im Raum auf und ab. Der ohnehin schmächtige Punier wirkte noch dünner; er war eben erst von einem langwierigen Darmfieber genesen. Die Haut unter dem schwarzen Haupt und Barthaar war fahlgelb.
»Ah, es gibt andere Dinge… Dreitausendzweihundert Talente – ich müßte mich eintausendfünfhundertmal auf die andere Schale der Waage stellen. Grauenhaft. Wer soll das bezahlen?«
»Du nicht.«
Bostar blieb stehen. »Es scheint dich nicht sehr zu berühren , wie? Blöder Hellene.«
»Pumscher Lehmkopf. Ziegenschänder.« Gegen seinen Willen mußte Antigonos grinsen; die alten Beschimpfungen aus ihrer Kindheit gaben ihm einen Teil der verlorenen Laune zurück. »Habe ich dir mal erzählt, wie ich in Takape syrischen Wein verzollen mußte?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Viel. Ich habe dreiunddreißig shiqlu Zoll bezahlt, beim Hafenmeister. In dessen amtlicher Liste wurde aus dem Syrer rhodischer Wein, verzollt mit neunzehn shiqlu. Und im Archiv hier in Qart Hadasht
Weitere Kostenlose Bücher