Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Flüssigkeit, in der Blütenblätter trieben. Der andere stand an einem Eisenofen und rührte mit Holzlöffeln in brodelnden Töpfen. Vor den offenen, durch einen kleinen Dachvorsprung geschützten Fenstern lag der See von Tynes unter dem grauen Frühlingshimmel.
    »Darüber ließe sich reden«, sagte der Duftmeister. »Komm. Laß uns Wein trinken und essen. Dabei läßt sich besser verhandeln.«
    Sie verließen die Werkstatt und überquerten den Platz der Feinen Hände, an dem viele Gebäude lagen. Auch die Taverne am See gehörte zum Dorf, war hell und gut belüftet: ein fünfseitiges Haus mit drei weißen Wänden und zwei überdachten Uferterrassen. Tische, Stühle, Bänke, Tragbalken und die Umrandung der Kochstellen, alles war aus hellem Holz, geglättet und mit Wachs und Harz behandelt.
    Zu dieser späten Vormittagsstunde herrschte noch kaum Betrieb. Antigonos nahm eine Platte mit Nüssen, Lauch und Artischockenherzen, in säuerlicher Tunke und belegt mit Streifen scharf gebratener Kalbsleber; Lysandros erhielt einen großen Napf mit Linsenbrei und magerem Bratenfleisch, durch die eiserne Mühle gedreht. Beide tranken heißen Würzwein; Antigonos verdünnte den seinen mit warmem Wasser.
    Obst, Gemüse und Fleisch kamen aus den Gärten, Weiden und Ställen des Dorfs, in dem weit über zweitausend Menschen lebten und arbeiteten. Der Betrieb kostete täglich etwa ein halbes Talent – achtzehnhundert Schekel – an Löhnen, Material, Ausbesserung, Versorgung. Aber der Reingewinn betrug fast zweieinhalb Talente am Tag. Nur wenige Dinge des täglichen Bedarfs mußten gekauft werden – Salz und Öl, zum Beispiel; alles andere lieferten die Felder und Ställe. Fast zwei Drittel ihrer Erträge konnte auf den Märkten von Qart Hadasht abgesetzt werden, weil das Dorf nicht alles verbrauchte. Weizen, Wein, Oliven, Feigen, Granatäpfel, Pflaumen, Nüsse, Datteln, Lauch, Kohl, Artischocken, Knoblauch, Erbsen und Linsen gab es fast ganzjährig; Schafe, Ziegen, Rinder, Hühner und Tauben – dazu seit zwei Jahren eine kleine Pferdezucht – warfen gute Gewinne ab, denn Qart Hadasht hatte immer Hunger, und Reittiere brauchte nicht nur das Heer.
    Antigonos zahlte gut – zu gut, nach Meinung vieler Händler und Großherren. Die Löhne entsprachen allgemein dem, was in der Stadt die Zünfte verlangten, lagen aber tatsächlich noch darüber, denn es gab etliche Besonderheiten. Das Wasser der Brunnen und Zisternen war kostenlos, die Preise für Erzeugnisse der Felder und Ställe niedrig; für die Nutzung der Wohnhäuser und der Garküche behielt die Verwaltung ein Sechstel der Löhne ein, während in Qart Hadasht die Miete etwa ein Drittel der Einkünfte eines gelernten Arbeiters fraß. Zu den Besonderheiten gehörten auch die zwei Lehrer und drei Ärzte (ein Punier, ein Perser, ein Athener) des Dorfs; die aus einem Zwölftel der Reingewinne gespeiste Fürsorge für Alte, Kranke oder nach dem Tod eines Mitarbeiters mittellos gewordene Angehörige; die Tatsache, daß Sklaven ihrem Können und ihren Fertigkeiten entsprechend eingesetzt und bezahlt wurden wie die anderen (Hilfsarbeiter eindreiviertel bis zwei Schekel, Arbeiter dreieinhalb bis vier, Meister fünfeinviertel bis sechs Schekel in der Woche) – die Hälfte des Lohns wurde einbehalten und mit dem Kaufpreis verrechnet; der Sklave war frei, sobald er elf Zehntel seines Preises erarbeitet hatte –; und anständige Verträge mit den Meistern, die entweder bezahlte Mitarbeiter oder freie Teilhaber sein konnten, wobei die Bank sechs Zehntel des Geschäfts hielt.
    »Als du mich damals bei den Maken freigekauft hast«, sagte Lysandros undeutlich, mit halbvollem Mund, »hatte ich niemals mit diesem hier gerechnet. Es ist eine – eine glückliche Insel.«
    Antigonos hob den Becher. »Auf jede Gottheit, die den Gewinn mehrt und die Menschen nicht mindert. Aber mach nicht den Fehler, mich für einen weichherzigen Philanthropen zu halten, o Meister der Düfte.«
    Lysandros kicherte. »Ich halte dich, wenn du erlaubst, für was ich will. Ich sehe nur, daß fast alle hier zufrieden sind und ihr Bestes tun. Und daß kaum einer versucht, dich zu betrügen.«
    »Kommen wir zu deinen Düften zurück.«
    »Ja, meine Düfte.« Lysandros starrte auf den Löffel, als ob er nie einen gesehen hätte. »Noch ein gutes Ergebnis dieses Dorfs, übrigens. Der Perser ist ein großer Kräuterkenner; ohne ihn wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, auch Heilmittel zu brauen.« Er führte den Löffel

Weitere Kostenlose Bücher