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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Antigonos das Schreiben aus, als sie nachmittags im Hafen von Tingis anlegten. Sie hatten sich lange in Mastia aufgehalten, wo das neue Dorf zu gedeihen begann. In Malaka und zuletzt in Kalpe an der nördlichen Säule des Melqart waren Gerüchte umgegangen, denen Bostars Schreiben nun festen Kern und schlimme Umrisse gab.
    In Kalpe hatten sie einen weiteren Tag durch Sturm verloren. Das Kurierboot, das neben ihnen lag, schien versucht zu haben , dem Sturm zu trotzen. Der Mast fehlte; zerbrochene Ruder lagen auf dem Kai.
    Memnon streunte durch den Hafen; er hatte sich verdrückt, während Tsuniro und Antigonos lasen. Auf dem Kai verhandelte der alte Kapitän Hiram mit ein paar Tingitanern in schmutzigen Gewändern. Steuermann Mastanabal überwachte die Reinigung und das Auffüllen der Wasserbehälter. Die Spätherbstsonne stand schon tief im Westen; das brackige Wasser des Hafenbeckens glich morschem Holz mit einem zerbröckelnden Überzug aus Bronze. Es stank nach fauligem Fisch, Abfällen und menschlichen Exkrementen. Über die grauen Quader des Kais rumpelte ein Ochsenkarren, beladen mit Weinamphoren für die Schwinge des Westwinds. Der alte Wein wurde langsam zu Essig. Außer der Schwinge und dem Kurierboot lagen acht weitere Schiffe im Hafen. Der bauchige Frachter auf der anderen Seite lud Handmühlen aus den Steinbrüchen südlich von Tingis und Kupferbarren aus dem Hinterland.
    Tsuniro legte die Wange an seine und streichelte seinen Hals.
    »O Tiggo«, sagte sie leise. Dann richtete sie sich auf, seufzte und ging zur Bordwand.
    Antigonos starrte einen Moment blind auf den Papyros. Er rollte ihn zusammen, legte ihn auf den kleinen Tisch, schob seinen Klappstuhl aus Holz und Segeltuch zurück, stand ganz langsam auf und stieg mit Beinen, die aus der Vorzeit stammen mochten, die Treppe vom Achterdeck hinab. Mühsam richtete er seine Gedanken auf die unmittelbaren Notwendigkeiten.
    Nachdem er Hiram einige neue Anweisungen gegeben hatte , kletterte er an Bord des Kurierboots. Es sah scheußlich aus. Der Mast war nicht abgebrochen, sondern aus dem Deck herausgerissen worden; zerfetzte Plankenenden, geborstene Verstrebungen, blutverschmierte Holzsplitter und zerfaserte Stricke lagen überall herum. Erschöpfte Männer der Besatzung und Zimmerleute aus Tingis arbeiteten fast wütend an der Beseitigung der Schäden. Einer der Matrosen ließ den Hammer fallen, steckte den gequetschten Daumen in den Mund und stieß eine Verfluchung aus. Sie galt dem Kapitän, der offenbar noch am selben Abend wieder auslaufen wollte.
    Antigonos fand den Punier im Heckraum, über eine Rolle gebeugt, den Schreibhalm in der Hand und Furchen auf der Stirn.
    »Antigonos von der Sandbank. Du bist der Herr des Schiffs?« Der Mann blickte auf. Er war kaum älter als Antigonos; aus den Zügen des Gesichts waren Erschöpfung, Sorge und die Last der Verantwortung zu lesen. Er fuhr sich mit der Rechten durchs wirre dunkle Haar, zupfte an einem der Ringe im rechten Ohr und stand auf.
    »Ja, Herr der Sandbank. Und in Eile bin ich auch.«
    Antigonos deutete mit dem Daumen hinter sich. »Ich hörte, du willst noch heute wieder auslaufen?«
    Der Punier nickte. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte er:
    »Notfalls ohne Mast – nur mit Rudern und halbgeflickten Planken. Wir müssen nach Gadir.«
    »Ist deine Anwesenheit unbedingt erforderlich? Die Schwinge des Westwinds hat eben frischen Wein bekommen. Und ich erhielt einen Brief aus Qart Hadasht, zu dem ich dich gern etwas fragen würde.«
    Der Punier zögerte; dann zuckte er mit den Schultern. »Ein Becher Wein, warum nicht? Diese Liste mit den Schäden kann warten.«
    Als sie auf dem Achterdeck der Schwinge Platz genommen hatten und die Becher gefüllt waren, deutete Antigonos auf Bostars Briefrolle.
    »Dies hier hat einige Tage auf uns warten müssen. Ich lese, daß Qart Hadasht so gut wie belagert wird und Herr Giskon zu den Söldnern nach Tynes gehen soll, um neu zu verhandeln. Es klingt alles nicht sehr hoffnungsvoll. Gibt es Neueres?«
    Der Punier lachte gepreßt, hob den Becher vor Tsuniro, dann vor Antigonos, trank und wischte sich den Mund. »Ich weiß nicht, ob das Neuere dir gefallen wird, Herr der Bank.«
    »Antigonos; laß das ›Herr‹.«
    »Hanno ist mein Name – ich kann nicht dafür; im Augenblick gibt es bessere Namen.«
    Tsuniro schnalzte. »Ist er gestürzt?«
    »Nein – dazu ist sein Geld zu kräftig. Er ist Stratege und betreibt die Rüstung des Kriegs.«
    Antigonos schloß die

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