Hanibal
Augen. »Dann ist es also so weit gekommen…«
Hanno nickte langsam. »Noch viel weiter, Herr – Antigonos.« Er lehnte sich zurück und berichtete.
Giskon hatte im Hafen ein Schiff mit Geld beladen lassen und war durch den kleinen Kanal in der Landzunge gefahren, über den See von Tynes. Einige Ratsherren begleiteten ihn. Nach längeren Verhandlungen begann Giskon mit der Auszahlung des rückständigen Soldes und der Vergütung für gestorbene Pferde; die Frage des Brotgetreides schob er hinaus. Er hatte bereits Teile der anderen Völkerschaften ausgezahlt, als die Libyer sich empörten, da sie noch nichts bekommen hatten und meinten, ihnen stünde es zu, als erste entlohnt zu werden. Natürlich war es Giskons Absicht gewesen, genau dies zu erreichen – einen Teil der Söldner von den anderen zu trennen, einen Keil zwischen sie zu treiben. Er sagte sehr kühl, entweder sollten sie sich gedulden, bis sie an der Reihe seien, oder sie sollten sich von ihrem selbstgewählten »Strategen«, einem Libyer namens Matho, bezahlen lassen.
»Sehr klug – und sehr tapfer.« Tsuniro schüttelte den Kopf.
»In dieser Lage, umgeben von meuternden Söldnern…«
Hanno seufzte. »Ja. Ein guter und gerechter Mann, Giskon; er wollte ja von vornherein, daß die Abmachungen mit den Söldnern eingehalten werden. Sicher war er über die Meuterei und die maßlosen neuen Forderungen nicht empörter als über die Kornsäcke im Rat. Aber er hatte mit einem nicht gerechnet, er konnte mit einem nicht rechnen.«
»Und das wäre?« Antigonos richtete sich auf.
»Bei allen Barbaren, sogar bei den Römern, sind Gesandte heilig – aber die Libyer haben Giskon und die anderen Ratsherren niedergeschlagen, gefesselt und in Tynes in ein sicheres Gefängnis geworfen.«
Nach längerem Schweigen sagte Antigonos, wie abwehrend:
»Nein. Die Unverletzlichkeit von Gesandten… Es sind schon große Kriege aus geringerem Anlaß geführt worden. Aber… man hätte mit so etwas rechnen müssen, nicht wahr? Gerade seitens der Libyer. Sie müssen doch längst gewußt haben, daß es für sie keinen Weg zurück gibt.
Sobald die anderen Söldner fort sind, muß die Rache von Qart Hadasht furchtbar werden.«
Hanno breitete die Arme aus. »Nicht nur für die Libyer und ihren Anführer, diesen Matho – auch für andere. Vor allem die Italier; ihr Kopf ist ein gewisser Spendius. Sie können doch gar nicht heimkehren – sie haben gegen Rom gekämpft, und ihre Heimatstädte sind jetzt sämtlich Roms Verbündete. Und die Gallier unter diesem, wie heißt er, Audarido…«
»Wie sieht es denn nun aus? In Qart Hadasht und in Libyen?« Hanno ergriff den Becher und starrte hinein. »Krieg«, sagte er leise. »Ein furchtbarer Krieg, der noch nicht begonnen hat, der aber nicht abzuwenden ist. Für die Stadt selbst schlimmer als der lange Römische Krieg. Viele Dinge kommen zusammen …«
Die Söldner hatten sofort Boten an alle Städte und Dörfer des libyschen Hinterlands geschickt. Mehr als Boten war nicht nötig – im Krieg hatte Qart Hadasht die Tribute der Städte verdoppelt und die Abgaben der Bauern bis zur Hälfte aller Ernten hochgetrieben.
»Zu den dreißigtausend Söldnern sind fast siebzigtausend Libyer gestoßen«, sagte der Punier mit spröder Stimme. »Die Dörfer haben alles Geld geschickt, das sie besitzen; die Frauen haben ihren Schmuck geopfert. Matho und Spendius verfügen über große Mittel; sie haben begonnen, eigene Münzen zu prägen und ihre Leute zu bezahlen. Nur zwei Städte stehen nicht zu ihnen, Ityke und Hipu. Sie werden belagert – ebenso wie Qart Hadasht. Gute Kämpfer, von Hamilkar ausgebildet und von den Römern unbesiegt, dazu mehr als doppelt so viele Libyer. Bis zum Frühjahr werden auch sie alle bewaffnet und eingeübt sein.«
Antigonos fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Und was hat Qart Hadasht noch?«
Der Punier lachte. »Nichts. Ein paar hundert Söldner, die nicht übergelaufen sind und noch in der Mauer waren. Hanno bewaffnet Freiwillige – Punier; er läßt die Schiffe instand setzen und hat Werber ausgeschickt, um neue Söldner zu mieten. Dies ist meine Aufgabe – ich muß so schnell es geht nach Gadir: Silber und Krieger für Qart Hadasht. Wir sind wehrlos, Herr Antigonos. Als Regulus landete, besaßen wir noch immer mehr Kämpfer als er; Agathokles war ein ungefährlicher und freundlicher Besucher. Beide, Römer wie Syrakosier, haben wenigstens während des Kriegs die Grundregeln geachtet, keine
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