Hannah, Mari
Mädchen, mit nichts als hautengen Jeans und einem T-Shirt am Leib. Sie sah schon halb erfroren aus so ohne Mantel.
Sie setzte sich kerzengerade auf.
Atme, atme.
Das Mädchen auf der Straße hatte sie auf eine Unstimmigkeit aufmerksam gemacht, etwas, worüber sie bisher noch nicht nachgedacht hatte. Daniels Hände mühten sich mit ihrer Karte ab, als sie versuchte, sie zurück in den Computer zu stecken. Sie gab einen Befehl ein, und wartete, bis die Untersuchung zu Alan Stephens’ Tod hochgeladen wurde. Während sie mit den Fingern auf den Schreibtisch trommelte, wagte sie nicht zu glauben, dass es von Bedeutung sein könnte, was sie entdeckt hatte.
Mach schon, mach schon.
Es schien ewig zu dauern, bis die relevante Seite hochgeladen war, dann erschien sie endlich auf dem Bildschirm. Daniels hatte Recht. Obwohl Stephens im November ermordet worden war, war unter den Gegenständen in Monica Stephens’ Besitz kein Mantel gefunden worden. Und wenn das tatsächlich der Fall war, dann bedeutete es, dass die Mordkommission einen gewaltigen Fehler gemacht hatte, allen voran DS Robson als Aktenführer. Es könnte sogar den Durchbruch bedeuten, auf den sie gehofft hatte. Da stand es, schwarz auf weiß – direkt vor ihren Augen.
Wie konnten sie alle das übersehen haben?
Daniels tippte Gormleys Nummer in ihr Handy.
Er meldete sich sofort.
»Hank, wir haben ein Problem. Monica Stephens’ Mantel ist von der Spurensicherung nie gefunden worden. Ich muss sie sofort noch einmal verhören.«
»Willst du mich verarschen?« Hank hörte sich an, als schliefe er noch halb. »Hast du mit ihr gesprochen?«
»Das mach ich gleich, aber ich will erst die Überwachungsaufnahmen vom Flughafen noch mal ansehen. Bist du nachher zu Hause?«
»Ja. Ich bin hier. Ich, der Weihnachtsmann und eine Kiste Bier. Halt mich auf dem Laufenden.«
Sie legte auf.
Über das interne Telefon rief sie unten an und teilte dem Officer in der Asservatenkammer mit, er möge die betreffenden Bänder heraussuchen. Dann ging sie nach unten, um sie abzuholen. Wieder am Schreibtisch nahm sie als Erstes das heraus, das mit Innenraum Newcastle Airport beschriftet war und setzte sich hin, um es anzusehen. Innerhalb von Sekunden sah sie Monica Stephens und Teresa Branson in eine Flughafen-Lounge kommen – und beide trugen sie Mäntel.
Daniels spulte vor bis zum Ende, bis Monica durch eine große Drehtür vom Bildschirm verschwand. Als Daniels dann das zweite Band einlegte, das den Außenbereich des Flughafens überwachte, erwischte sie Monica, als sie durch dieselbe Tür ins Freie trat. Sie blieb kurz an einem Automaten stehen, bevor sie zum Kurzzeitparkplatz ging. Augenblicke später fuhr ihr Wagen davon.
Daniels war eine überzeugte Verfechterin der kognitiven Vernehmungsmethode; eine Untersuchungsmethode, die es den Zeugen erlaubt, laut zu denken. Sie hatte sie schon oft angewandt, um die Erinnerungen von Zeugen ans Tageslicht zu befördern, und hoffte, dass es ihr auch bei Monica Stephens in der Geborgenheit ihres eigenen Hauses gelingen würde.
Sie nahm ein kleines Aufnahmegerät aus der Tasche, schaltete es ein, darauf bedacht, eventuelle Indizien zu sammeln, die sie später verwenden wollte. Sie drängte Monica, sich zu entspannen, und hörte aufmerksam zu, als sie beschrieb, wie sie Court Mews verlassen hatte, um mit Teresa Branson essen zu gehen, ihren Drink am Flughafen und ihre Rückfahrt nach Hause. Daniels konnte Monica ansehen, wie schmerzlich der Prozess für sie war, obwohl diese die Augen geschlossen hatte. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, als sie in ihrem Bericht zögerte, verständlicherweise nicht an die grauenvollen Erinnerungen rühren wollte.
Auch wenn sie bereits festgestellt hatte, dass Monica einen Mantel getragen hatte, musste Daniels es doch von ihr selbst hören und achtete sorgfältig darauf, ihr keine Worte in den Mund zu legen.
»Was hatten sie an jenem Abend an, Monica?«
»Braune Hosen, Stiefel … den beigefarbenen Mantel und einen Schal.«
»Sie hatten ganz sicher einen Mantel an, als sie nach Hause kamen?«
Monica nickte.
»Konzentrieren Sie sich, Monica«, sagte Daniels sanft. »Sie machen das sehr gut. Jetzt erzählen Sie mir, was Sie sehen.«
Monicas Unterlippe zitterte. »Die Tür, die Wohnungstür.«
»Ist sie offen oder geschlossen?«
»Offen. Einen Spaltbreit.«
»Drücken Sie sie auf … Sehen Sie nach, was drinnen ist.«
Monica riss die Augen auf und starrte konzentriert auf den Boden. »Ich habe
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