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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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bestimmt nicht so gemeint. Wie könnte sie?
    Daniels bremste an einer Kreuzung und bog dann auf die Ai ab. Jetzt beschleunigte sie wieder und wappnete sich für weiteres Elend. Wenn es irgend möglich gewesen wäre, die Besuche bei David, Elsie und Bright zu verschieben, dann hätte sie das getan. Aber das war es nicht. Ganz egal, wie schlecht es ihr im Augenblick auch gehen mochte, ihnen ging es wesentlich schlechter. Es musste heute sein. An keinem anderen Tag.
    Es war schon dunkel. Daniels war seit einer Stunde unterwegs und fuhr jetzt in Richtung Nordwesten über Land. Sie verließ die vierspurige Schnellstraße und raste an dem Abzweig zum Cottage ihres Vaters vorbei, verrenkte sich den Hals, um zu sehen, ob sein Auto am gewohnten Platz stand. Tat es. Sie wusste, dass er trotz ihrer Differenzen wütend sein würde, wenn er erfuhr, dass sie vorbeigefahren war, ohne hereinzuschauen. Und das am Weihnachtsabend.
    Sie sah auf die Uhr am Armaturenbrett – keine Zeit – und fuhr weiter.
    Zehn Minuten später nahm Daniels den Fuß vom Gas, als die Straße schmaler wurde und ein Schild die Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigte. Die offene Landschaft machte erst auf einer, dann auf beiden Seiten Häusern Platz. Den Marktplatz zu ihrer Linken, gelangte sie nach Corbridge hinein und stellte den Wagen ab. Ihre Hände am Lenkrad waren klamm, als sie sich an die Nacht erinnerte, in der sie zwei Tote in der Kirche gefunden hatte.
    Ungeachtet ihrer persönlichen Krise stellte ihr Scheitern, den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen, immer noch die größte Enttäuschung ihrer Karriere dar. Was sollte sie heute Sarah Shorts Eltern sagen, am ersten Jahrestag des Todes ihrer Tochter? Welche Worte würden nicht wie leere Versprechungen klingen?
    Bis zu ihrem vorzeitigen Tod war Sarah eine junge Frau gewesen, die eine glänzende Zukunft vor sich hatte. Es war eine traurige Ironie, daran zu denken, dass sie nach ihrem Examen in Oxford im Bereich Straf recht hatte arbeiten wollen. Ihre Ermordung hatte die Shorts eines liebenden, intelligenten Kindes beraubt, das sein ganzes Leben noch vor sich hatte, und ihr persönlicher Albtraum kannte jetzt keine Grenzen.
    Daniels stieg aus, in dem Wissen, dass wer immer dafür verantwortlich war, mit Sicherheit wieder morden würde. In Gedanken versunken, hielt sie abrupt inne, als ein Mann ihr in den Weg kam, kaum zwanzig Meter vom Törchen zu St. Camillus entfernt. Sie traten beide von einem Bein aufs andere, wie das Leute tun, die versuchen, einander auszuweichen. Schließlich machte er höflich einen Schritt zur Seite, um sie vorbeizulassen.
    Als sie über den Kirchhof ging, erinnerte auch der Weihnachtsbaum an den grausigen Fund vor zwölf Monaten und versetzte sie in jene Nacht und die darauf folgenden qualvollen Wochen zurück. Die Mordkommission hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um den Fall zu lösen, hatte jedoch nicht einen einzigen Zeugen ausfindig machen können. Es war, als sei die fragliche Person wie ein Außerirdischer in das Dorf hinein- und wieder hinausgebeamt worden.
    Nein, es gab keine Worte, die die Trauer ausdrücken konnte, die sie empfand, oder die Hoffnung auf ein Ergebnis in naher Zukunft machen konnten. Das Beste, was sie den Shorts zu bieten hatte, war ihre persönliche Versicherung, dass der Fall niemals ungelöst abgeschlossen werden würde. Das letzte Mal, als sie sie gesehen hatte, hatten sie sie genau darum gebeten. Es war ihr Recht. Und Daniels hatte vor, dafür zu sorgen, dass es respektiert wurde.
    In dem gemütlichen Wohnzimmer hingen unzählige Fotos von Sarah Short als glückliches Kind und als Teenager. Auf manchen posierte sie zusammen mit ihren Eltern, und Daniels war schockiert, als sie die Fotos mit deren heutigem Aussehen verglich. Sie waren beide in den letzten zwölf Monaten sichtlich gealtert. Davids Haar war inzwischen beinahe weiß geworden, und er hatte deutlich abgenommen, besonders im Gesicht. Sie bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er eine zweite Tasse Tee auf den Tisch stellte.
    »Wir haben heute in der Kirche eine Kerze angezündet«, sagte er, als er aufblickte.
    »David!« Elsie warf ihm einen strafenden Blick zu.
    »Tut mir leid, Kate«, sagte David. »Das war taktlos. Ich habe vergessen, wie … was Sie tun wollten, als sie …«
    Seine Stimme verstummte. Er konnte sich nicht dazu überwinden, seinen Satz zu beenden.
    »Wie können Sie immer noch glauben?« Daniels räusperte sich. »Ich könnte es nicht.«
    »Gehen

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