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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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etwas gefunden … im Flur. Ich weiß nicht genau, was es war.«
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    »Ich erinnere mich, dass ich mich gebückt habe … nein, es tut mir leid, das ist nicht gut.«
    »Versuchen Sie, es sich bildlich vorzustellen«, sagte Daniels sanft.
    »Einen Brief? Eine Schrift auf einer Karte … vielleicht eine Visitenkarte.«
    Ob, mein Gott! Daniels wurde körperlich übel. »Haben Sie sie aufgehoben?«
    »Nein, ja … Ich dachte, Alan … Ich dachte, er hätte sie verloren.«
    Bilder von Andachtskarten blitzten in schneller Folge vor Daniels’ Augen auf: in Father Simons Hand, in Jennifer Taits Mund, neben Jamil Maliks verkrümmtem Körper und in Ron Naylors Hand im Scheinwerferlicht einer Crimewatch- Sendung.
    »Monica, das ist jetzt sehr wichtig … Was haben Sie damit gemacht?«
    Die Hand der Niederländerin wanderte instinktiv zu ihrer Tasche.
    Daniels spürte, wie ihr heiß wurde, hätte gut etwas frische Luft brauchen können. Vor ihrem geistigen Auge ging Monica weiter in die Wohnung hinein, fand ihren Ehemann tot auf dem Boden liegend und floh vom Tatort ins Restaurant Salieri’s nebenan. Die Belegschaft rief einen Krankenwagen, der sie mit einem Schock ins Krankenhaus einlieferte, bevor die Polizei eintraf. Ihr Mantel blieb im Restaurant und wurde ihr nach dem Vorfall zurückgegeben – um dann einer Wohltätigkeitsorganisation gespendet zu werden.
    Sie mussten diesen Mantel finden, es war ein Wettlauf mit der Zeit.

72
    Es wurde schon dunkel, als Daniels in die Einfahrt fuhr und den Toyota hinter Gormleys Wagen parkte. Eine Flasche Whisky in einer Hand, einen dicken Ordner in der anderen, stieg sie aus, ging zur Haustür und benutzte ihren Ellbogen, um zu klingeln. Als niemand aufmachte, hämmerte sie mit der Faust an die Tür, weil sie dachte, die Klingel funktionierte nicht. Gormley riss die Tür auf, seinem Gesichtsausdruck nach bereit, dem lauten Besucher ordentlich den Marsch zu blasen, doch seine Wut verflog sofort, als er sah, wer es war.
    »Entschuldige, ich muss eingeschlafen sein«, sagte er. Daniels’ Gedanken schlugen Purzelbäume, als sie versuchte, eine sinnvolle Ordnung in das zu bringen, was sie inzwischen wusste. »Überleg dir gut, was du dir wünschst, Flank. Naylors Fall und unserer sind ganz sicher ein und derselbe. Und ich spreche hier nicht von Sarah Short und Father Simon. Ich spreche von Alan Stephens.«
    Gormley war verwirrt.
    Daniels drängte sich an ihm vorbei ins Haus. Sie bemerkte ein auffälliges Fehlen jeglicher Weihnachtsdekoration im Wohnzimmer. Ein einziges Geschenk, schön eingepackt, lag einsam auf dem Sideboard. Auf dem Schildchen stand: Für Julie, in Liebe. Daniels war neugierig, wo Gormleys Frau sich wohl an einem so wichtigen Tag im Kalender aufhielt, traute sich aber nicht, zu fragen. Sie drehte sich zu ihm um, als er sie eingeholt hatte.
    »Ich habe eben gerade Monica durch eine kognitive Vernehmung geführt«, sagte sie. »Sie hatte an dem Abend tatsächlich einen Mantel an, und was noch viel wichtiger ist, sie erinnert sich daran, dass sie eine Visitenkarte oder so etwas auf dem Boden liegen gesehen hat, als sie in die Wohnung kam.«
    Gormley schüttelte den Kopf. »Stimmt nicht. Ich war da, als die Spurensicherung den Tatort durchkämmt hat, und ich sage dir, da war keine Karte.«
    »Nicht in der Wohnung, nein. Monica hat mir gesagt, dass sie sie im Hausflur gefunden und aufgehoben hat, weil sie dachte, Stephens habe sie auf dem Weg hinein verloren. Sie denkt, sie hat sie in die Manteltasche gesteckt.«
    »Sie denkt ? Das hört sich für mich nach einem klaren Vielleicht an.«
    »Was, wenn der Mörder sie mit Absicht dagelassen hat? Hank?«
    »O je, mach mal langsam. Ich bin nicht ganz nüchtern, und du machst mir Kopfschmerzen.«
    »Reiß dich zusammen!«, sagte Daniels. »Was, wenn es gar keine Visitenkarte war, sondern eine katholische Andachtskarte?« Sie setzten sich beide hin. Daniels erwartete eine Antwort, aber dieses Mal hatte Gormley keine smarte Bemerkung parat. Er wurde mit einem Schlag völlig nüchtern. »Wir haben da draußen einen widerwärtigen Mörder herumlaufen, Hank. Irgendeiner aus der Armee Gottes, so wie’s scheint. Und Serienkiller hören nicht einfach auf; das entspricht nicht ihrer Pathologie.«
    Schweigen.
    Dann drang Lachen durchs Fenster. Eine kleine Explosion. Jemand zündete da draußen ein Feuerwerk, eine schmerzliche Erinnerung an die Nacht, in der Stephens gestorben war. Nicht dass Daniels eine bräuchte.

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