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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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grinste. Er stützte den Arm auf die Lehne seines Stuhls und musterte die Gesichtszüge des Jungen noch genauer. Es gab definitiv etwas an seiner Erscheinung, was ihn an seinen Sohn erinnerte. Vielleicht war es der blonde Haarschopf, oder vielleicht waren es auch die durchdringenden blauen Augen. Er konnte es nicht recht ausmachen, wahrscheinlich, weil er in den letzten Wochen nicht viel von Ryan gesehen hatte. Er hatte den Kopf eingezogen und sich rar gemacht.
    James grinste anzüglich, wie es junge Männer tun, wenn sie sich schämen. Doch da war noch ein anderes Gefühl im Spiel, eines, von dem Gormley dachte, dass er es erkannte.
    Eingebildetheit?
    Stolz vielleicht?
    »Könnten Sie das etwas genauer ausführen?«, drängte er.
    James entschied sich dafür, nicht zu antworten.
    Gormley seufzte und sah auf seine Uhr. »Vernehmung beendet um sieben Uhr siebenundfünfzig.« Er schaltete das Gerät ab, lehnte sich entspannt zurück und schloss die Augen. »Wecken Sie mich, wenn Sie so weit sind.«
    Das Schweigen dauerte nicht lange.
    »Ich hab meine Tutorin gebumst, wenn Sie’s unbedingt wissen wollen.«
    Gormley schlug die Augen auf. »Und warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Sie Idiot?«

44
    Ron Naylor saß bereits – wie Kate Daniels nicht anders erwartet hatte – im Restaurant The Living Room in der Grey Street. Er sieht gut aus für einen Bullen, dachte sie, als ein Kellner ihr den Mantel abnahm. Ganz Polizist, hatte er bewusst einen Platz mit Blick auf die Tür ausgesucht, stets darauf bedacht, möglichen Ärger nicht im Rücken zu haben. So war es ihnen auf der Polizeischule eingebläut worden und inzwischen zur zweiten Natur geworden. Unbewusst oder auch nicht hatte er alle Menschen hier registriert und konnte wahrscheinlich sagen, was sie anhatten, in welcher Stimmung sie waren und ob sie womöglich Ungutes im Schilde führten.
    Er lächelte und stand auf, als sie näher kam.
    Sie setzte sich und kam nicht umhin zu bemerken, dass er französischen Wein bestellt hatte, ihren Lieblingswein, einen Sancerre La Fuzelle von der Loire. »Das hättest du nicht tun sollen, Ron.«
    »Dachte, du könntest mal was Schönes brauchen.« Er schenkte ihr ein halbes Glas ein. »Du sahst ziemlich fertig aus gestern.«
    »Was du nicht sagst.« Daniels nippte an ihrem Wein und ließ sich die Ereignisse des Tages durch den Kopf gehen. Nachdem sie bei Jo gewesen war, war sie zurück in die Mordkommission geeilt, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen, und war sehr erleichtert darüber gewesen, dass James Stephens endlich ausgesagt hatte, wo er am Donnerstagabend gewesen war; ein Alibi, das Gormley mit allerhöchster Priorität abklären würde. Auch die Entwicklungen in Sachen Felicity Wood beschäftigten sie. Sie hatte Brown beauftragt, sich morgen früh gleich als Erstes darum zu kümmern. Sie stellte ihr Glas ab. »Tut mir leid, dass ich so spät gekommen bin, Ron. Gerade als ich gehen wollte, kam noch ein Brief, den ich quittieren sollte – ich persönlich und niemand anderes. Ich dachte, es wäre wichtig.«
    »Und, war es das?«
    »Soweit ich das beurteilen kann, nicht.« Daniels wühlte in ihrer Tasche herum. »Als ich an die Rezeption kam, war der Kurier schon verschwunden.«
    Sie zog einen braunen Umschlag hervor und reichte ihn über den Tisch. Naylor sah hinein und zog das Foto eines jungen, asiatisch aussehenden Mannes heraus, das durchgestrichen war. Es war dünnes, glänzendes Papier mit bedruckter Rückseite, offensichtlich aus einer Zeitschrift ausgeschnitten.
    »Wer ist das?«
    »Frag mich was Leichteres. Ich hab ihn noch nie vorher gesehen.«
    »Verdammte Spinner!« Naylor besah sich den Umschlag. Er war an Daniels persönlich adressiert, in einer kindlichen Handschrift. Er sah auf. »Und es war kein Brief dabei oder so was?«
    »Kein Brief, keine Erklärung, einfach nur das da. Wahrscheinlich irgendein rassistisches Arschloch, das mal seine Meinung sagen wollte. Ich verhungere gleich, können wir bestellen?«
    Sie winkten einen Kellner herbei, bestellten ein Filetsteak für Naylor, einen Seebarsch für sie, und gingen dann direkt zum Geschäftlichen über. Naylor hatte eine Fotokopie der zerknickten Andachtskarte mitgebracht, die in Jenny Taiths Mund gesteckt hatte, um sie mit der zu vergleichen, die ein Jahr zuvor bei Father Simon gefunden worden war. Sie ähnelten sich nur darin, dass es beides Andachtskarten waren, aber die forensische Untersuchung hatte keine weitere Verbindung zwischen ihnen

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