Hannahs Entscheidung
trauen«, fügte sie hinzu. »Lass ihn auf keinen Fall ins Haus, sollte er auf Fairview auftauchen.« Was die Götter verhindern mögen.
»Gib du auch auf dich acht, hörst du?«
»Aber ja«, versicherte Hannah. »Das mache ich.«
»Fairview ist dein Zuhause«, sagte Ellie sanft, bevor sie auflegte. »Vergiss das nie.«
14. Kapitel
» H ätte ich vielleicht Hannah Mulligan bitten sollen, ebenfalls zum Tee vorbeizukommen?« Sylvia hob ihre feinen hellen Augenbrauen, als sie das Teegeschirr samt den mit einem bunten Blumenmuster bedruckten Leinenservietten vom Tablett hob. Weil Tayanita fand, dass sie alle einmal eine Pause brauchten, hatten sie das Cottage Garden kurzerhand für den Nachmittag geschlossen und Sylvia hatte Tayanita zum Tee eingeladen.
»Ja, das hättest du tun können.« Tayanita fing an, die Teller zu verteilen. »Andererseits denke ich, dass sie ein wenig Zeit für sich braucht. Sie sagte mir, sie würde spazieren gehen und es sich danach mit einem Buch auf der Couch gemütlich machen. Sie hofft immer noch darauf, dass ein Wunder geschieht und Joe ihr mitteilt, dass der Wagen repariert ist.« Mit der flachen Hand strich sie glättend über eine der gestärkten Servietten, um sie anschließend aufzufalten. »Sie möchte doch endlich nach Charlotte weiter.«
»Hm«, machte Sylvia, verschwand in die Küche und kehrte mit einer Kanne dampfend heißen Tees zurück. Schweigend schenkte sie ein. Sie setzte sich Tayanita gegenüber auf das Sofa und fixierte ihre Freundin erwartungsvoll über den Rand ihrer Brille hinweg. »Wie ist sie eigentlich so? Hannah, meine ich. Du scheinst ja gut mit ihr auszukommen?«
Tayanita balancierte ein Kuchenstück von der Platte auf ihren Teller. Sylvia hatte zur Feier des Tages einen Pekannuss Pie gebacken, weil sie wusste, dass Tayanita verrückt nach Pekannüssen war, und Sylvia ihr eine Freude hatte machen wollen. Vor zehn Jahren waren sie sich in Violet‘s Krämerladen zum ersten Mal begegnet. Sylvia, die Baby Danielle, aus vollem Halse brüllend, auf der Hüfte getragen hatte, rutschte damals die Papiertüte mit den gesamten Einkäufen aus der Hand. Tayanita hatte geholfen, alles vom Boden einzusammeln, während Violet, fortwährend kleine hilflose Seufzer ausstoßend, augenrollend eine neue Tüte bereitgehalten hatte. Schließlich brachte Tayanita Sylvias Einkäufe zum Wagen, damit diese die Hände frei hatte, um das Baby sicher in seinem Kindersitz zu verstauen. Sie kamen ins Gespräch, und im Lauf der Zeit entwickelte sich aus dem kurzen Zusammentreffen eine tiefe Freundschaft. Tayanita bewunderte Sylvias unverblümte Art, ihren scharfzüngigen Humor sowie ihre Entschlossenheit und Courage, drei Kinder ohne Vater aufzuziehen. Nach sechs gemeinsamen Jahren hatte er sich sang- und klanglos aus dem Staub gemacht und sie hochschwanger mit zwei kleinen Kindern zurückgelassen.
»Ist besser für uns alle«, hatte Sylvia mit unbeweglicher Miene verkündet, »er war ohnehin kaum für uns da. Der Pub war sein wirkliches Zuhause. Ein Maul weniger, das ich nun stopfen muss.« Ab und an hatte sie in der ersten Zeit nach seinem Verschwinden eine Postkarte mit ein paar dahingekritzelten Grüßen erhalten, selten einen Scheck, den er in einem Anfall von Großzügigkeit immer dann ausstellte, wenn er gerade einen Gelegenheitsjob angenommen hatte. Als sie vor einigen Jahren das letzte Lebenszeichen von Pat Cooper erhielt, zuckte Sylvia lediglich mit den Achseln. Sie ertrug es, wie alles, was in ihrem Leben geschah, mit stoischer Gelassenheit und der üblichen Portion Zynismus, die ihr eigen war. Tayanita wusste, dass hinter dem herben Äußeren ein mitfühlendes Herz steckte, doch das Leben hatte Sylvia gelehrt, ihre verletzliche Seite verborgen zu halten.
»Hey, Taya. Träumst du?« Sylvias Stimme holte Tayanita in die Gegenwart zurück. »Wie ist sie nun, diese Hannah aus Marietta?«
»Sie ist eine nette junge Frau«, erwiderte Tayanita unverbindlich, mit der Gabel in ihrem Kuchenstück stochernd.
»Und?«
»Sie ist in Schwierigkeiten.«
»Ach.« Sylvia schob sich nachdenklich ein Stück Kuchen in den Mund. »Sieh an. Dabei wirkt sie so harmlos und unschuldig. Wenn man aber genauer hinsieht, bemerkt man ihren nervösen Blick. Als ob sie auf der Flucht wäre.«
»Damit liegst du gar nicht so falsch.« Tayanita beschloss, Sylvia alles zu erzählen, was sie über Hannah wusste. Schließlich vertraute sie Sylvia, und sie wollte nicht, dass ihre Freundin
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