Hannahs Entscheidung
schimmerten ihre schönen Augen. »Sam hat lange gebraucht, um seinen Schmerz zu verarbeiten. Ehrlich gesagt bin ich nicht davon überzeugt, dass es ihm vollständig gelungen ist.«
Hannah schüttelte ungläubig den Kopf. Ihre Zunge klebte trocken am Gaumen. Ihr fiel absolut nichts Passendes ein, was sie in dieser Situation hätte sagen können. Warum in aller Welt erzählte Tayanita ihr das?
»Sam gibt sich die Schuld an der Tragödie«, fuhr die Cherokee fort. »Es ist nicht leicht, mit einer vermeintlichen Schuld zu leben.«
Hannah verharrte wie betäubt auf ihrem Stuhl. Ein kalter Hauch schien plötzlich durch den Raum zu wehen und sie hob fröstelnd die Schultern. Sie legte ihre Finger um die heiße Kaffeetasse, um die Wärme zu spüren. »Das ist wirklich grausam«, sagte sie schließlich mit belegter Stimme. Sie war nicht gerade ein Fan von Sam Parker. Dennoch, in diesem Augenblick des Schocks empfand sie tiefes Mitgefühl. Wie konnte ein Mensch so etwas verkraften? Das ließ ihre eigenen Probleme mit einem Schlag in einem anderen Licht erscheinen. Es lag jenseits ihrer Vorstellungskraft, was Sam damals empfunden haben mochte. Sie schob ihren Teller von sich.
Hannah sprang vom Sofa, schnappte sich ihr Handy vom Tisch und ging im Wohnzimmer ihres Apartments auf und ab, während sie darauf wartete, dass Ellie ihren Anruf entgegennahm. Immer wieder spähte sie durch die Fenster hinunter auf die Straße. Sie fühlte sich von einer unerklärlichen Nervosität erfasst. Trotz der wenigen Informationen, die Tayanita bereit gewesen war, ihr zu geben, rann ihr noch immer ein kalter Schauder über den Rücken, wenn sie an das Schicksal von Sams toter Frau dachte … Als Ellie sich meldete, blieb Hannah aufatmend stehen. »Nana, hier ist Hannah.«
»Liebes! Ich habe sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen von dir gewartet. Wann kann ich mit dir rechnen? Ich bin gerade dabei, uns einen schönen Apfelkuchen zu backen, so wie du ihn früher immer geliebt hast, weißt du noch?«
»Nana, ich kann nicht …«, begann Hannah zögerlich. Sie hoffte, ihre Nachricht würde ihre Großmutter nicht allzu sehr enttäuschen.
»Pass auf, Herzchen, ich habe mir da etwas ausgedacht«, fuhr ihre Großmutter aufgeregt fort. »Du erinnerst dich sicher an Agnes Carnegie, meine beste Freundin. Sie kam an Sonntagnachmittagen oft nach Fairview zum Tee. Weißt du noch, die hochgewachsene, sehr schlanke Dame mit der gebogenen Nase? Jedenfalls, ihr ältester Sohn Thomas – übrigens noch unverheiratet – ist Partner in einer großen Anwaltskanzlei. Ich werde Agnes bitten, Thomas zu fragen, ob er dich bei der Scheidung vertreten könnte. Was hältst du davon?« Ellie stieß einen Seufzer der Begeisterung aus. »O Herzchen, ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, dich bald wieder bei mir zu haben! Sag, wann kommst du? Bist du schon auf dem Weg?«
Hannah straffte die Schultern. Mit dem Nagel ihres Zeigefingers zupfte sie an einem losen Faden an ihrem T-Shirt. »Das versuche ich dir die ganze Zeit zu sagen, Nana. Es tut mir schrecklich leid, aber ich muss dich vertrösten. Es wird noch ein wenig dauern, bis ich nach Charlotte komme.«
»Wieso das? Was hält dich davon ab? Gibt es Probleme mit dem Wagen?«
»Nein. Ja. Es sind noch nicht alle Ersatzteile eingetroffen.«
»Schade. Aber allzu lang kann es ja nicht mehr dauern.«
Hannah starrte auf ihre Füße hinunter. »Da ist noch etwas, über das ich mit dir sprechen wollte.« Sie räusperte sich und befeuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zunge.
»Was ist los?« Ellie klang leicht alarmiert. »Du bist doch nicht in Schwierigkeiten, Kind?« Hannahs Großmutter hatte schon immer feine Antennen besessen. Von Außenstehenden wurde Eliza Mae oft für eine rationale, etwas kühle Südstaatenlady mit klarem Blick gehalten. Hannah wusste es besser. Sie kannte Ellie als mitfühlende, warmherzige und sensible Frau.
»Du kennst nicht die ganze Geschichte, Nana. Shane und ich haben uns gestritten .« Und das nicht zum ersten Mal, ergänzte Hannah im Stillen. Sie holte tief Luft. »Er hat mich geschlagen. Als ich ihm sagte, dass ich ihn verlassen würde, schlug er zu.«
Es herrschte Totenstille am anderen Ende der Leitung.
»Nana? Bitte sag doch etwas.«
»Ich bin sprachlos. Empört und entsetzt. Dein Ehemann hat die Hand gegen dich erhoben? Wie bitte? Das darf doch nicht wahr sein! Ich ahnte, dass er dich nicht glücklich machen würde, aber so etwas … unvorstellbar.«
»In
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