Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannahs Entscheidung

Hannahs Entscheidung

Titel: Hannahs Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Sunday
Vom Netzwerk:
Bei Helen war er sich da nicht so sicher, er traute dieser Betschwester nicht über den Weg. Also war Eliza Mae nun an der Reihe. Mein Gott, schon allein der Name verursachte ihm Brechreiz. Shane hatte die alte Dame erst einmal getroffen. Das war an jenem Tag gewesen, an dem sie Hannahs persönliche Sachen geholt und nach Ohio geschafft hatten. Dass Hannahs Großmutter ihn nicht mochte, hatte er sofort bemerkt. Unterkühlt hatte sie ihn aus hellen Augen kritisch gemustert, als er ihr die Hand zur Begrüßung reichte. Es war offensichtlich, dass sie die Entscheidung ihrer Enkelin missbilligte, ihre Arbeitsstelle im Charlotte Memorial aufzugeben, um ihm nach Ohio zu folgen. Ihm war sehr wohl bewusst gewesen, dass er in ihren Augen keine geeignete Partie für ihre kostbare Enkeltochter darstellte. Das musste sie erst gar nicht aussprechen. In diese unliebsamen Erinnerungen versunken strich er sich mit allen Fingern durchs Haar und fixierte das große Haus. Nun, liebe Eliza Mae. Zeit, dass wir mal ein Wörtchen miteinander plaudern. Ein maliziöses Lächeln spielte um Shanes Lippen, als er seine Kappe zurechtrückte und sich anschickte, entschlossenen Schrittes die Straße zu überqueren.
     
    *
     
    Auf Green Acres schenkte sich Sam einen Southern Comfort ein. Normalerweise trank er nicht am helllichten Tag. Ihn plagte jedoch ausgesprochen schlechte Laune. Eigentlich müsste es anders sein, denn die gute Miss Mulligan hatte ihre Sachen gepackt und das Haus gehörte endlich wieder ihm. Warum nur fühlte er sich so seltsam leer? Eine merkwürdige Rastlosigkeit und innere Unruhe hatte ihn im Lauf des Tages überfallen, die er sich nicht erklären konnte. Er schob die langen Beine auf den Tisch vor sich, setzte das Glas an den Mund und warf den Kopf nach hinten. Der Whiskey rann wie flüssiges Gold seine Kehle hinunter und entfachte in seinem Magen ein kleines Feuer, bevor er sein Inneres wohlig erwärmte. Mit dem Glas in der Hand lehnte sich Sam in seinem geliebten Ledersessel zurück und schloss die Augen. Während er dem beständigen Ticken der Standuhr im Flur lauschte, befahl er sich, jegliche Gedanken an Hannah Mulligan aus seinem Kopf zu verbannen. Das rhythmische Geräusch der Uhr lullte ihn schließlich ein. Er begann abzudriften. Das Telefon klingelte. Typisch. Kaum hatte man es sich bequem gemacht, gab es irgendeinen, der etwas wollte. »Shit«, stieß Sam übellaunig zwischen den Zähnen hervor, während er das Glas auf den Tisch knallte und sich unwillig aus seinem Sessel erhob. Hoffentlich gab es einen guten Grund für diesen Anruf.
    »Wie geht es dir, Sam?« Tayanitas Stimme.
    »Alles okay«, erwiderte er, aber es klang selbst in seinen Ohren wenig überzeugend.
    »Bist du sicher? Du hörst dich irgendwie seltsam an.«
    Die Cherokee besaß einen siebten Sinn, stellte Sam nicht zum ersten Mal fest. »Unsinn.« Seine Stimme klang eine Spur zu schroff. »Das bildest du dir ein. Ich hab gerade ein wenig gedöst.«
    »Entschuldige. Ich wollte dich nicht stören.«
    »Schon gut«, brummte er.
    »Du solltest etwas mehr unter die Leute gehen, Sam«, meinte sie unvermittelt. »Gehe aus, genieße dein Leben. Du verkriechst dich noch immer.«
    »Findest du? Ich bin eigentlich zufrieden, so wie es jetzt läuft«, erwiderte er augenrollend.
    »Das nehme ich dir nicht ab.« Tayanita war schon immer ein Freund der offenen Worte gewesen. Normalerweise schätzte er diese Eigenschaft an ihr. Jedoch nicht im Augenblick.
    »Lass es gut sein, Taya. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Es ist alles in bester Ordnung.« Nichts war mehr in Ordnung, seitdem Maggie brutal umgebracht worden war, und so würde es für den Rest seines Lebens bleiben. Diese Tatsache hatte er akzeptiert. Das Leben war kein Rosengarten. Das hatte er auf bittere Weise erfahren müssen.
    »Warum bist du so hart zu dir selbst? Denkst du nicht, es ist an der Zeit, dir zu vergeben? Du musst die Vergangenheit hinter dir lassen und wieder anfangen zu leben.«
    Zähneknirschend fixierte er die kalte Asche im Kamin. »Ich weiß, du meinst es gut. Aber ich will nicht darüber sprechen.« Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr er fort. »Ich hatte alles. Alles, was sich ein Mann nur wünschen kann. Doch ich habe es zerstört.«
    »Du bist nicht schuld an dem, was damals geschah. Das weißt du. Wir haben so oft darüber gesprochen.«
    Sam lachte auf. Es war ein bitteres, unfrohes Lachen. »Ach nein? Ich war es, der diesen Scheißkerl überführt und erschossen hat.

Weitere Kostenlose Bücher