Hannahs Entscheidung
waren warm und ihre Haut reagierte mit einem angenehmen Kribbeln. Konnte er es auch fühlen? Sie wagte kaum, zu atmen. Einen Moment lang sahen sie einander überrascht in die Augen, bevor er sich wieder von ihr löste. »Hannah, Brian hat Ihre Großmutter ausfindig machen können.«
»Gott sei Dank!« Sie legte beide Hände auf ihr Dekolleté. »Warum sehen Sie mich so an? Es geht ihr doch gut, oder? Warum konnte ich sie nicht erreichen?«
Sam räusperte sich. »Sie befindet sich im Krankenhaus, im Charlotte Memorial .«
Hannahs Herzschlag setzte aus. »Wie bitte? Und das sagen Sie mir erst jetzt? Was ist mit ihr?«
»Bitte regen Sie sich nicht auf. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut.«
»Was soll das bedeuten? Den Umständen entsprechend?« Hannah fühlte Panik aufsteigen. »Hat Shane ihr etwas angetan? Ist sie verletzt?«
»Sie hat sich eine schwere Kopfverletzung und eine Prellung an der Schulter zugezogen. Aber«, unterbrach er ihre aufkommende Entrüstung, »leider kann sie sich nicht erinnern, was genau passiert ist.«
»Dieses Schwein!« Gleißende Wut explodierte in Hannahs Magengrube. »Wie konnte er das tun? O mein Gott, ich hätte es verhindern müssen!«
»Hannah.« Sam umfasste ihre Schultern und blickte ihr eindringlich in die Augen. »Die Polizei ermittelt noch, ob Shane überhaupt in die Sache verwickelt ist. Ihre Großmutter hat durch den Sturz offensichtlich Probleme mit ihrem Gedächtnis. Sie konnte noch keine klare Aussage tätigen.«
»War Shane auf Fairview? Hat er sie dort aufgesucht?«
»Das wohl ja, aber …«
»Dann hat er etwas damit zu tun!« Für Hannah gab es keinen Zweifel. Inzwischen traute sie ihm alles zu. Durch seinen Alkohol- und Tablettenmissbrauch war Shane zu einem anderen Menschen geworden. Zu einer Bestie. Er hatte nichts mehr mit dem Mann gemein, den sie einmal geliebt hatte. »Ich muss sofort zu ihr. Ich will meine Großmutter sehen.« Sie befreite sich aus seinem Griff und stürmte davon, doch Sam hatte sie mit wenigen Schritten eingeholt.
»Warten Sie.«
Sie funkelte ihn an. »Sie verstehen nicht …«
»Sie verstehen nicht. Jetzt atmen Sie mal durch. Die Ärzte raten derzeit von Besuchen ab. Auch Telefonate sind nicht gestattet. In ein paar Tagen vielleicht.« Er gab Hannah frei.
»Aber sie wird wissen wollen, wie es mir geht.«
»Wichtig ist jetzt, dass Ihre Großmutter die nötige Ruhe findet, um sich zu erholen und wieder ganz gesund zu werden. In ein paar Tagen können Sie sie gewiss kontaktieren.«
Während Sams Worte in ihrem Kopf wie ein Echo nachhallten, versuchte Hannah, das Gesagte zu verdauen. Auf einmal fühlte sie, wie ihre Knie zu zittern begannen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle in das weiche Gras des Grünstreifens am Gehwegrand gesunken. Sie schluckte hart, aber sie konnte nichts dagegen tun, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sam schien einen Moment zu zögern, dann breitete er seine Arme aus, zog Hannah an sich und hielt sie fest an seiner Brust.
*
»Danke für deine Hilfe, Sam. Du bist ein feiner Kerl.« Tayanita stellte die Spülmaschine an und sah ihm direkt ins Gesicht. »Du hast Hannah einen großen Gefallen getan.«
»Ist doch selbstverständlich«, brummte er, ihrem Blick ausweichend. »Was macht sie jetzt? Hannah, meine ich.«
Tayanita konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Hannah hätte sich am liebsten sofort ins Auto gesetzt, um nach Charlotte zu fahren, doch Tayanita hatte ihr klarmachen können, dass es keinen Sinn machte, überstürzt zu handeln, zumal die Ärzte von Besuchen im Krankenhaus abgeraten hatten. »Sie hat sich zurückgezogen. Ich nehme an, dass sie schläft. Natürlich konnte ich sie nicht davon abhalten, im Charlotte Memorial anzurufen, um sich nach ihrer Großmutter zu erkundigen. Man sagte ihr, dass Eliza Mae phasenweise ohne Bewusstsein sei, sich aber auf dem Weg der Besserung befände.« Tayanita stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »Weißt du, Sam, ich denke, Hannah fürchtet sich. Sie gibt es nicht zu. Sie versucht, stark zu sein und alles mit einem Lächeln wegzuwischen. Aber die Tatsache, dass sich dieser Shane im Ort herumtreiben könnte, verängstigt sie. Ich kann es ihr nicht verdenken, nach allem, was ich über diesen Mann gehört habe. Mir ist es ebenfalls nicht recht, dass sie nachts allein in dem großen Haus schläft.«
Sam hob eine Braue. »Was schlägst du vor? Ein Matratzenlager? Sollen wir uns alle zu ihr ins Cottage Garden gesellen?« Der
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