Hannas Entscheidung
BKA?«
»Nein«, seufzte sie.
»Was hast du erreicht?«
»Du meinst, außer dass ich Marie und mich noch mehr in Gefahr gebracht und Viktor verraten habe?«
»Auch Petrus hat Jesus verleugnet. Drei Mal. Und dennoch war er der Fels, auf dem die katholische Kirche aufgebaut wurde.«
»Ich bin nicht Petrus.«
»Nein, du bist Johanna.«
Sie forschte in seinem Gesicht, unsicher, was er damit sagen wollte.
»Wir alle machen Fehler, das gehört zum Menschsein dazu. Also?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Bevor es spannend werden konnte, hat mich das BKA verhaftet. Ich weiß nicht, ob der IT-Spezialist an die Daten von Medicare drangekommen ist, geschweige denn, ob das Viktors Intention war, als er mir den USB-Stick gegeben hat.«
»Langsam. Du vergisst, dass ich nicht eingeweiht bin in die letzten Ereignisse.«
Kurz erzählte Hanna ihm, was sie in den letzten Tagen nach ihrer Abreise aus Rom herausgefunden hatte.
»Weiß man beim KSK oder BKA, wonach du suchst?«
»Nein.«
»Auch Ben nicht?«
Sie zögerte. »Ich glaube, nein.«
»Liebst du ihn?«
»Ja.«
»Du bist deinem Vater so unglaublich ähnlich. Nie wählt ihr den einfachen Weg.«
»Habe ich denn eine Wahl?«
»Ja, die hattest du immer!«
»Ich wollte meine Familie nie verlassen.«
»Ja, und dann hast du es trotzdem gemacht. Komm, zieh dir Socken und Schuhe an.«
Hanna schaute skeptisch. »Wohin willst du?«
»Das wirst du sehen.«
Sie saßen zusammen in der Limousine. Ihr Onkel hatte seine Kardinalstracht ausgezogen. Seine Stellung in der Kirche war bestimmt eines seiner Argumente gewesen, das bei Konz seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Es überraschte Hanna immer, wie normal er in seiner Alltagskleidung wirkte, als durchaus attraktiver Anfangfünfziger mit grauen Schläfen, schlanken Händen, an denen der Kardinalsring groß wirkte, seinem kantigen Gesicht, das etwas Anziehendes an sich hatte, und das nicht nur aufgrund seiner bernsteinfarbenen Augen, von denen sie glaubte, sie könnten alles sehen.
»Was ist?«, fragte er sie amüsiert.
»Hattest du eine Affäre mit Caroline?«
»Nein.«
»Hast du mal mit einer Frau geschlafen?«
»Ja.«
»Wann?«
»Als ich jung war, vor meiner Priesterweihe, falls das deine nächste Frage ist.«
»Wieso schläfst du bei Caroline, wenn du hier bist?«
»Kann ein Mann und Priester nicht mit einer Frau befreundet sein?«
»Nein.«
»Nein?«
Sie starrte aus dem Fenster, dachte an Viktor. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie mit Ja geantwortet. Heute wusste sie es besser.
»Sie war auch Papas Freundin, richtig?«
»Ja.«
»Hatte Papa was mit ihr?«
»Nein, und seit wann interessiert dich Caroline so brennend?«
»Ich weiß nicht, vielleicht will ich die Menschen nur einfach besser kennen, wenn ich sie in Gefahr bringe.«
»Du bringst Caroline nicht in Gefahr.«
»Woher willst du das wissen?«
Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Die Sankt-Paulus-Dominikanerpfarrei mitten in Berlin, genauer Berlin Moabit.
Hanna folgte ihren Onkel, der nicht auf den Haupteingang zuging, sondern das Kloster umrundete und an einem Seiteneingang klopfte.
»Bruder Walter.«
Der Mönch wollte sich hinknien, um den Kardinalsring zu küssen.
»Nicht doch, Bruder Walter, ich bin heute als Bittsteller bei Ihnen, nicht als Kardinal.«
Bittsteller. Verwirrt folgte Hanna den beiden Männern hinein.
»Euer Besuch ist vor einer Dreiviertelstunde eingetroffen, Eure Eminenz.«
»Wunderbar, Bruder Walter, ich kann Ihnen nicht genug danken, dass sie uns ihre Räumlichkeiten für das Treffen zur Verfügung stellen.«
Sie blieben vor einer schweren Holztür stehen. Der Mönch nickte und ging weiter den Flur entlang. Der Kardinal klopfte und öffnete die Tür, doch anstatt einzutreten, fasste er Hanna bei den Schultern und schob sie in den Raum. Unwillkürlich wich Hanna einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür. Sie holte tief Luft, sah, wie die Person am Fenster sich langsam zu ihr umwandte.
Silvia hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen. Ihr Gesicht war blass, ihre Schultern straff gespannt, als wären sie allein es, die sie auf den Beinen hielten. Hanna hatte vergessen, wie schmal und zart ihre Mutter war. Mit vier Schritten durchquerte sie den Raum und zog die Frau, die so zerbrechlich wirkte, an ihre Brust. Ihre Mutter umschlang ihre Taille, hielt sich an ihr fest.
»Oh Gott du lebst, du lebst wirklich«
Der Körper in ihren Armen bebte vom
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