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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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lange getan.«
    »Also verzeihst du mir nicht.« Silvia presste die Lippen zusammen. Ihre Augen schimmerten feucht, doch diesmal hielt sie die Tränen zurück.
    »Ich weiß nicht.«
    Zögerlich nahm Silvia die Handtasche und stopfte die Taschentücher hinein. Sie erhob sich, griff nach ihrem Trenchcoat, auf der Stuhllehne. Hanna blieb auf dem Boden sitzen, hörte, wie die Schritte sich von ihr entfernten – verharrten.
    »Du hast nicht nur mir mit deinem vorgetäuschten Tod wehgetan, sondern auch anderen. Du solltest dich bei Harald Winter melden, bevor er von anderer Seite über deine Auferstehung erfährt.«
     
    Schweigend war Hanna mit ihrem Patenonkel zurückgefahren, jetzt lag sie auf dem Bett in Carolines Gästezimmer. Unfähig etwas anderes zu machen, als an die Decke zu starren. Es klopfte. Hanna hatte keine Lust auf Gesellschaft, schon gar nicht auf die ihres Onkels. Er ignorierte ihr Schweigen und kam herein, setzte sich auf einen Stuhl.
    »Genug geschwiegen. Wenn du wütend bist, sag es mir.«
    Ihr Blick sprach Bände.
    »Sie hat gelitten, Hanna. Ihr geht es nicht gut. Du hast dich entschieden, dass du dein Leben zurückhaben möchtest. Deine Mutter gehört zu diesem Leben.«
    »Es geht um meine Entscheidung!«
    »Sie hatte ein Recht zu erfahren, dass du lebst, bevor sie es auf andere Art und Weise erfährt.«
    »Warum?«
    »Sie ist deine Mutter.«
    »Biologisch.«
    »Sie liebt dich.«
    Hanna schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Doch, das tut sie, und was viel wichtiger ist – du liebst sie.«
    Hannas Augen fingen an zu brennen, was sie ärgerte. Sie wollte nicht heulen. Keine einzige Träne vergeuden.
    »Aber du liebst sie nicht so, wie sie ist, sondern so, wie du sie haben willst. Das ist eine egoistische Liebe, Hanna, und es wird Zeit, dass du damit aufhörst. Sie ist ein Mensch, und sie hat Fehler gemacht, schlimme Fehler, aber die hat sie gemacht, weil sie schwach ist, und sie braucht dich, damit sie stark sein kann. – Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. – Wie oft sprechen wir in der Kirche das Vaterunser? Es hört sich alles so leicht an und ist doch im realen Leben so schwer.« Der Kardinal nahm Hannas Hand, legte sie kurz an seine Wange, küsste sie dann. »Caroline hat sich heute Abend viel Arbeit mit dem Essen gemacht. Es wäre schön, wenn du uns Gesellschaft leistest.«
     
    Hanna saß vor ihrem Notebook. Alle ihre Sachen waren bei Caroline gelandet und sie fragte sich, wie ihr Onkel es schaffte, ihr nicht nur das BKA vom Hals zu halten, sondern auch das KSK. Mit denen hätte sie jedoch gern Kontakt gehabt. Sie wollte unbedingt wissen, wie weit Paul mit Viktors Info vorangekommen war. Hatten sie Zugang zu allen Daten bekommen? Womöglich auch zu den Daten des HIV-Heilmittels? Und wie sollte sie Marie davon unterrichten, ohne dass jemand es merkte? Sie war kein Computerspezialist. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie sie die Daten finden und identifizieren sollte. Im Moment stand sie außerdem vor einem weiteren Problem: Der letzte Satz ihrer Mutter hatte sie getroffen. Harald Winter. Sie hatte sich seine Telefonnummer aus dem Internet besorgt und überlegte seit einer halben Stunde, ob sie ihn anrufen und was sie dann überhaupt sagen sollte. Hallo Harald, hier ist Hanna, und übrigens – ich bin nicht tot, sondern war nur in einem Zeugenschutzprogramm. Nein, sie wusste auch ohne ihre Mutter, dass es Harald schwergefallen war, mit ihrem Tod klarzukommen. Er hatte sie mal mit einem Stein k. o. geschlagen, um sie aus der Gefahrenzone zu halten, weil er sie kannte. Sie grinste. Nicht unbedingt die feine Art, aber sie wusste, wie viel sie ihm bedeutete und dass er panische Angst davor hatte, sie als Leiche nach Hause bringen zu müssen. Nein, sie konnte ihn nicht anrufen, sie würde zu ihm fahren.
     
    »Wo willst du hin?«
    Erschrocken zuckte Hanna zusammen. Ihr Patenonkel stand in der Tür.
    »Nach Hamburg.«
    Er schwieg, wartete vergeblich auf eine Erläuterung. »Warte zehn Minuten, dann können wir fahren.«
    »Ich brauche keinen Babysitter.«
    »Natürlich nicht.«
    »Ich kann auf mich selber aufpassen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich fahr allein.«
    »Johanna, wenn du das Haus verlässt, stehen Leute vom BKA draußen vor der Tür, die nichts lieber machen, als dich einzusammeln und in eine Zelle zu

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