Hannas Entscheidung
wenn BKA und KSK sich gegenseitig die Zusammenarbeit verweigerten.
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit saß Hanna in einer Zelle. Es gab nur zwei wesentliche Unterschiede. Erstens gab es ein Fenster, das ihr ein wenig Luft verschaffte. Zweitens war die Zellentür verschlossen, und Hanna hatte nichts bei sich außer dem was sie anhatte. Bevor Brinkmann sie in die Zelle brachte, hatte er sie in einen Raum geführt, wo eine Beamtin sie durchsuchte. Ihr Schweizer Taschenmesser hatten sie ihr abgenommen, die Kette mit dem goldenen Kreuz durfte sie behalten.
Um ihre Wut abzukühlen, begann Hanna mit einem Work-out. Nach einer Stunde saß sie im Schneidersitz auf dem Boden, während der Schweiß ihren Körper herunterlief. Sie hatte die Strickjacke, das T-Shirt und die Jeans ausgezogen, da die Sachen sie beim Training gestört hatten. Das Unterhemd klebte an ihrem Oberkörper. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich auf ihre heftige Atmung. Es dauerte keine zehn Minuten bis zu ihrer normalen Frequenz. Sie war in ausgezeichneter Form, nur dass ihr das in einer verdammten Zelle mitten im BKA-Gebäude in Berlin kein bisschen weiterhalf. Beim Trocknen kühlte der Schweiß ihren Körper ab. Blind griff sie nach ihrer Strickjacke und zog sie sich über. Wieder rebellierte ihr Magen, und Hanna wusste, dass sie etwas machen musste, damit das Gefühl, eingesperrt zu sein, nicht Oberhand gewann.
Sie begann, den schmerzhaften Rosenkranz zu beten. Die vertrauten Worte und die innere Visualisierung eines Rosenkranzes, den sie durch ihre Finger gleiten ließ, lösten die Verkrampfung. Bald verlor sie den Bezug zu Zeit und Raum. Sie glitt dahin auf einer anderen Bewusstseinsebene, ließ sich umfangen von Wärme und Ruhe. Man mochte sie einsperren, aber die Freiheit ihrer Seele konnte man ihr niemals nehmen.
Es überraschte Ben nicht, dass Konz sie warten ließ. Er und Oberst Hartmann saßen allein im Besprechungsraum. Ben trug Zivilkleidung, da er noch krankgeschrieben war. Oberst Hartmann hatte sich ebenfalls für Zivilkleidung entschieden, und Ben wusste, dass sein Vorgesetzter damit ihre Gemeinsamkeiten betonen wollte.
Konz erschien allein. Sie standen auf und begrüßten sich mit Handschlag, setzten sich.
»Gerhard, es tut mir leid, dass du von den Informationen abgeschnitten wurdest.«
Nicht schlecht, den Einstieg über eine Entschuldigung zu suchen, dachte Ben, während er die beiden Männer beobachtete. Konz hatte sich ihnen gegenübergesetzt. Seine Miene blieb völlig ausdruckslos, seine Arme lagen ab dem Ellenbogen auf dem Tisch, und die Finger hatte er ineinander verschränkt – eine wachsame Haltung, aber gleichzeitig auch blockierend.
»Das ist ja nicht neu, Karl. Im Grunde sind wir das von dir gewohnt.«
»Es ging nicht darum, euch auszuschließen.«
»Sondern?«
»Wir wollten erst sicherstellen, dass wir verlässliche Informationen haben, die wir mit euch teilen können.«
»Was ist unverlässlich an der Information, eine Kronzeugin in Gewahrsam zu haben, deren Tarnidentität aufgeflogen ist?«
»Ja, das ist eindeutig, da gebe ich dir recht, nur ...«
»Komm mir nicht damit, dass ...«, Konz‘ Blick streifte Ben, »... Major Wahlstrom auf eigene Faust gehandelt hat. Denn wäre das der Fall, würde ich mir an deiner Stelle ernsthafte Gedanken über disziplinarische Maßnahmen machen.«
»Nein, das will ich nicht behaupten.«
Ben verbarg seine Überraschung. Eben das war ihr ursprünglicher Plan gewesen – sich auf sein eigenmächtiges Handeln zu berufen und so Konz zu ermöglichen, sich über Ben aufzuregen und sich trotzdem mit dem Oberst auf gemeinsamer Ebene zu bewegen.
»Du weißt, dass ich Johanna nie neutral gegenüberstand. Gewissermaßen fühle ich mich für sie so verantwortlich wie für eine Tochter.«
Konz‘ Haltung veränderte sich, er senkte den Kopf, betrachtete seine Fingernägel.
»Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe, aber was würdest du machen, wenn sich deine Tochter in Gefahr befände? Würdest du sie nicht beschützen wollen? Sichergehen, dass ihr nichts passieren kann?«
Mit einer Handbewegung schnitt Konz Hartmann das Wort ab, fixierte den Oberst. »Ist das diesmal deine Taktik? An mein Verantwortungsgefühl als Vater zu appellieren? Da gibt es nur zwei wesentliche Unterschiede, Karl. Erstens weißt du nicht das Geringste davon, Vater zu sein, und zweitens hätte ich meine Tochter niemals dieser Situation ausgesetzt. Ich hätte sie beschützt und nicht
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