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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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vorbei in den Flur. Die Aufzugtür schloss sich und sie standen sich im Flur gegenüber. An dem Paneel hier unten konnte der Fahrstuhl nur über einen Zahlencode und eine Karte bedient werden. Na Klasse, das war ja wie in einem Gefängnis! Sollte das seine Hilfe sein? Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Gibt es hier unten eine Toilette.«
    »Ja, den Gang runter, dann links, wieder links, die erste Tür.«
    Sie streckte den Arm aus. »Meinen Rucksack.«
    Er schob die Hände in die Jackentaschen.
    Hatten sie das alles nicht schon einmal gehabt?
    »Ich brauche meinen Rucksack.«
    »Weshalb?«
    »Weil ich eine Frau bin!«, fauchte sie ihn an.
    Er nahm den Rucksack von seiner Schulter und öffnete jeden einzelnen Reißverschluss und auch jedes Täschchen im Innern. Erst dann reichte er ihn ihr.
    »Was denkst du? Dass ich Plastiksprengstoff da drin habe?«
    »Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
    Sie schnappte den Rucksack aus seinen Händen.
    »Du hast exakt fünf Minuten, von dieser Sekunde ab, bevor ich nachkomme und dich da raushole, verstanden?«
    Es piepste. Fassungslos sah sie über die Schulter zurück. Er hatte tatsächlich einige Knöpfe auf seiner Uhr betätigt.
    »4 Minuten, 52 Sekunden. Deine Zeit läuft. Ich an deiner Stelle würde mich beeilen.«
    Als Antwort bot sie ihm ihren erhobenen Mittelfinger, schritt dann aber zügig aus. Sie wollte die Perücke loswerden, ihre eigenen Klamotten anziehen, die sie im Rucksack deponiert hatte, und auf die Toilette gehen. Außerdem musste sie durchatmen, Abstand gewinnen, damit sich ihre Gehirnzellen erholten, die sich anscheinend in seiner Gegenwart selbstständig ausgeschaltet hatten.
    Sie hatte sich gerade die Schminke aus dem Gesicht entfernt und die Hände gewaschen, als die Tür aufging.
    »Die Zeit ist abgelaufen.«
    »Fertig.« Sie bemerkte sehr wohl seinen Blick und verkniff sich ein zufriedenes Lächeln. Ja, sie war wieder Hanna.
     
    Der Raum, in den er sie brachte, sah erstaunlich freundlich aus dafür, dass er sich in einer Kaserne im Erdreich befand, ohne ein Fenster. Er beherbergte einen ovalen Tisch und lederbezogene Schwingsessel. Ein Beamer hing unter der Decke, und ein elektronisches Board gab es auch. Ein grauer, pflegeleichter Teppich bedeckte den Boden, indirekte Beleuchtung an den Wänden erzeugte ein warmes Licht. Die Luft war frisch und wohltemperiert. An der Wand hingen eingerahmte Landkarten von verschiedenen Ländern. An einer Wand gab es ein Sideboard und einen Kühlschrank. Außer ihnen war niemand da.
    Sie sah ihre Tasche neben dem Kühlschrank. Obwohl sie sich Zeit ließ, den Raum ausgiebig zu mustern, entdeckte Hanna keine Kameras.
    Ihrem Gastgeber entging ihre Suche nicht. »Das hier ist ein Besprechungsraum, er dient nicht für Verhöre. Möchtest du etwas trinken?«
    »Eine Apfelsaftschorle?«
    Er brachte ein Glas, eine Apfelschorle und eine Cola. Die Anspannung war aus seiner Haltung gewichen. Er setzte sich auf einen der Stühle, streckte entspannt die Beine aus und lehnte sich zurück, während er sich die Colaflasche an den Mund setzte und die Hälfte in einem Zug trank. Hanna nahm sich das Glas, die Flasche Apfelsaftschorle und ging auf die andere Seite des Tisches. Auch wenn sie so weiter von der Tür entfernt war, fühlte sie sich mit einem Tisch zwischen ihnen beiden sicherer.
     
    Ben beobachtete Hanna, als sie sich auf der anderen Seite des Tisches hinsetzte. Sie im Toilettenvorraum zu sehen, hatte ihn für einen kurzen Augenblick aus der Bahn geworfen. Auch jetzt noch hing er an diesen unglaublich blauen Augen. Sie hatte das blaue T-Shirt und die Jeans aus dem Rucksack angezogen, die Jeansjacke, die sie über dem Kleid getragen hatte, darüber. Die Perücke hatte sie abgenommen. Ihre Haare, die bis kurz über die Schulter reichten, kringelten sich vorwitzig an ihrem Hals. Sie hatte sie an beiden Seiten hinter die Ohren gesteckt. Seit sie sich in die echte Hanna zurückverwandelt hatte, wirkte sie erstaunlich ruhig und gelassen, anders als die wütende Frau am Bahnhof oder die ängstliche, trotzige im Fahrstuhl. Auch Ben fühlte, wie seine Gelassenheit und Professionalität zurückkehrten. Hier befanden sie sich auf seinem Territorium. Sein Auftrag war erledigt, sein Fauxpas in Ordnung gebracht, Hanna in Sicherheit. Statt der von seinem Oberst zur Verfügung gestellten sechs Tage hatten ihm drei Tage gereicht. Ja, er hatte allen Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Er nahm sein Handy, tippte den Code ein,

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