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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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rief seine Kontakt-App auf und wählte daraus die Nummer des Kardinals. Er musste sich über den Tisch recken, um Hanna das Handy zu reichen. Sie sah darauf, sah dann ihn an.
    »Du solltest deinen Onkel anrufen. Er hat sich ziemliche Sorgen gemacht, als du nicht wie vereinbart am Hauptbahnhof angekommen bist.«
    »Mein Onkel?«
    Wachsamkeit war ihrer ganzen Haltung zu entnehmen. Es ging um die Frage: Wer besaß welche Informationen, und was gab der andere preis. Wenn sie glaubte, sie könnte ihn auf seinem Gebiet schlagen, hatte sie sich gewaltig getäuscht.
    »Kardinal Richard Voigt. Wir haben zusammen zu Abend gegessen. Eine wunderschöne Villa, die er da in Rom besitzt. Ich wusste nicht, dass ein Kardinal so viel Geld verdient.«
    »Alter Familienbesitz.« Sie nahm sein Handy entgegen, betrachtete es, schielte ihn unter ihren langen Wimpern an. »Was muss ich tun?«
    »Einfach mit dem Finger auf die Nummer tippen, und wie du telefonierst, brauche ich dir sicherlich nicht zu erklären.«
    Ihr Zeigefinger berührte das Display. Sie wandte sich halb ab, starrte auf das elektronische Board. »Hi, Onkel Richard, ich bins.«
    Das Gespräch würde für seine Ohren recht einsilbig sein. Da er die Gegenseite aufnahm, machte das nichts. Er würde es sich in Ruhe später anhören.
    »Gut. – Hmh. – Nein. – Ich musste was klären. – Nein. – Ja. – Nein. – Mach ich.« Sie reichte ihm das Handy zurück.
    »Und? Hat er sich gefreut, von dir zu hören?«
    »Ja.«
    Er drückte die Taste für den Displayschutz und ließ das Handy in seiner Hosentasche verschwinden. Hanna schraubte den Verschluss ihrer Flasche auf, schüttete sich das Glas voll und trank ein paar Schlucke. Das Glas setzte sie in horizontaler Linie mit der Flasche vor sich ab, einer Linie zwischen ihm und ihr. Sie legte ihre Unterarme auf dem Tisch ab, faltete die Hände. Ihre Schultern straff nach hinten gezogen, richtete sie ihre Aufmerksamkeit konzentriert auf ihn. Er änderte seine Haltung nicht. Blieb genauso entspannt wie zuvor, trank noch einen Schluck von seiner Cola und spielte mit der Flasche, während er sie weiterhin beobachtete. Die Minuten verstrichen ohne einen Laut. Schließlich gab sie auf, und Ben verzeichnete einen weiteren Pluspunkt auf seinem Konto.
    »Und?«
    »Und was?«
    »Reden?«
    »Nein.«
    »Nein?« Irritiert sah sie ihn an.
    »Wir warten noch.«
    »Worauf?«
    Er grinste. »Keine Sorge, das wirst du sehen.«
    »Ich habe nicht ewig Zeit.«
    »Nicht ewig, aber auf jeden Fall genug.«
    Sie runzelte die Stirn, kniff die Augen zusammen, fixierte ihn.
    Er durfte nicht vorhersehbar für sie sein. Während sie warteten, war dies eine gute Gelegenheit, ihre Verunsicherung zu steigern.
    Nach einer Weile stand sie auf, ging die Wände entlang und betrachtete die Karten. Nachdem sie die letzte studiert hatte, wandte sie sich ihm wieder zu. »Einsatzgebiete?«
    »Länder.«
    »Ach nein«, erwiderte sie spöttisch, gab sich aber geschlagen und ging zurück zu ihrem Platz.
    Er registrierte, wie schnell sie merkte, wann es unsinnig war weiterzufragen. Sie bohrte nicht, behielt die Ruhe und akzeptierte seine Verschlossenheit. Manch einer würde irgendwann mit einem Selbstgespräch anfangen, erzählen, ohne dass man ihn etwas zu fragen brauchte, einfach weil diese Menschen die Stille und Einsilbigkeit nicht vertrugen. Er schätzte, dass Hanna ihm diesen Gefallen nicht tun würde. Er stand auf, holte sich eine weitere Flasche, hob fragend eine Apfelsaftschorle hoch. Sie schüttelte den Kopf.
     
    Hanna verstand, was Ben mit seinem Verhalten beabsichtigte. Er wollte sie verunsichern, ihre Aufmerksamkeit verringern, sie zermürben. Es ärgerte sie, dass es ihm bis zu einem gewissen Grad sogar gelang, aber nur, weil der USB-Stick in ihrer Jeansjacke brannte. Sie wusste nicht, wie sie das alles angehen sollte. Er hatte sie aus dem Konzept gebracht mit seiner Aktion. Lange hatte sie gezögert, den USB-Stick in ihren Rechner zu stecken. Zu lebhaft war ihr in Erinnerung, wie sie sich damals bei so einer Aktion den Trojaner zugezogen hatte. Sie wusste nicht mehr, wer ihr bester Freund war. Ob sie Viktor trauen konnte oder nicht. Sie hatte gedacht, dass sie ihn kannte. Dass sie alles von ihm wusste. Irrtum. Was hatte er mit der Lebensversicherung gemeint? Dass er damit rechnete, dass sie den Stick der Polizei übergeben und diese IT-Security Task-Force das System des BKA knacken würde? In das Netzwerk eindringen? Abrufen, was sie an Informationen

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