Hannas Wahrheit (German Edition)
wie sollte ich das anstellen?“
Er zuckte mit der Schulter. „Lass dir was einfallen, du bist nicht auf den Kopf gefallen.“
„Und wenn ich mich weigere? Wenn ich keine Lust habe, euer Spiel mitzuspielen?“
Seine Augen wurden schmal.
„Du spielst das Spiel schon längst mit, Hanna, ob du es willst oder nicht. Oder weshalb hast du die Bilder von dem Überfall in die Bühnenshow integriert?“
Sie presste die Lippen zusammen, schloss kurz die Augen und stöhnte innerlich auf. Was hatte sie gestern nur angerichtet? Ja, sie wollte wissen, weshalb der kleine Junge gestorben war. Wollte genauso die Schuldigen finden wie dieser Mann vor ihr. Aber nicht auf seine Weise, sondern auf ihre. Bisher war ihr nicht wirklich bewusst gewesen, dass es Marie war, die der Stiftung vorstand. Was, wenn ihre eigene Schwester … Nein, sie durfte diesen Gedanken auf keinen Fall weiterdenken. Genau das versuchte er mit seinem Gespräch zu erreichen. Er konnte sie nicht zwingen, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
„Hanna, du hast dich gestern verdammt weit rausgelehnt. Glaubst du tatsächlich, Armin Ziegler lässt dir das durchgehen?“ Er beugte sich vor, sah sie eindringlich an. „Du hast dich schon einmal mit ihm angelegt und was ist dabei rausgekommen?“
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ihre Pupillen weiteten sich. Er konnte ihre Angst förmlich riechen, wie sie aus all ihren Poren herausströmte.
„Du weißt, dass er damals deine Entführung in Auftrag gegeben hat.“ Die nächsten Worte wählte er psychologisch bedacht. Es ging ihm darum, ihre Angst so zu verstärken, dass sie keinen anderen Ausweg sah, als mit ihnen zu kooperieren. „Er wollte dir eine Lektion erteilen, nicht wahr?“
Sie atmete flach, wich seinem Blick nicht aus. Ihre Augen färbten sich rund um die Pupillen dunkel. Das passte nicht, sie brach nicht zusammen, wie er erwartet hatte, nachdem er die Worte wiederholte, die damals die Entführer zu ihr gesagt hatten, bevor sie sie vergewaltigten. Sie überraschte ihn wieder. Aber sie widersprach seinen Worten nicht. Er wagte sich noch ein Stück vor.
„Warum beschützt du ihn, Hanna? Warum deckst du einen Mann, der dir das angetan hat? Ich könnte dafür sorgen, dass er nie mehr eine Rolle in deinem Leben spielt.“ Er ließ ihr bewusst den Raum, seine Worte mit ihren eigenen Gedanken zu füllen. Er musste verstehen, wie sie tickte, und das Rätsel Hanna für sein eigenes Seelenheil lösen.
„Du sollst nicht töten, so lautet das sechste Gebot“, erklärte sie mit emotionsloser Stimme. Ihre Augen schienen nicht mehr ihn zu sehen, sondern durch ihn hindurch zu blicken auf etwas anderes.
„Und du hältst dich an die Zehn Gebote?“ Skepsis und Ungläubigkeit schwangen in seiner Stimme mit. Was passierte hier gerade, fragte er sich verwirrt. Ihr Blick kam aus der Leere zurück, heftete sich auf ihn. Die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück, die Dunkelheit wich aus ihren Augen und das intensive Blau wurde wieder sichtbar.
„Ich bin Christin.“
Sie brachte ihn völlig aus dem Konzept. Major Wahlstrom vergaß seine Taktik. Das Jesus-Kreuz trat ihm deutlich vor Augen. Der mahnende Blick der Figur verwandelte sich, sie sah ihn mit einem freundlichen Lächeln an. Er schüttelte den Kopf.
„Du tötest ihn nicht“, erklärte er und verbannte das Bild aus seinem Kopf.
„Aber du.“
Er schwieg. Die Taktik bei diesem Spiel war, dem anderen das Gefühl zu geben, man wäre ehrlich mit ihm. Eine Basis des Vertrauens schaffen, damit er mit geschickten Lügen an den richtigen Stellen die Kooperationsbereitschaft des anderen erhielt oder gleich die Wahrheit. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, zu lügen. Wenn sie Angst davor hatte, dass er Armin Ziegler töten würde und sie an diesem Tod schuld wäre, dann brauchte er ihr nur die Sicherheit zu geben, dass er ihn nicht töten würde. Das war nicht mal falsch, denn er hatte nicht die Absicht Armin Ziegler zu töten. Allerdings war ihre Absicht auch nicht, Armin Ziegler diesmal ungeschoren davon kommen zu lassen. Er sah sie an. Jetzt leuchteten ihre Augen in einem tiefen, warmen Blau mit violetten Akzenten. So wie der Morgenhimmel an einem klaren Tag über dem Lake Naivasha, der ihn so oft an seine Heimat Norwegen erinnert hatte. Ihre schwarzen Haare reflektierten das Licht in Schattierungen von Blau. Ihre Wimpern umrahmten die leuchtenden Augen. Ihre schmalen Lippen, eine geschwungene Linie, waren weich. Ihre von der Sonne dunkel gefärbte Haut schimmerte in
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