Hannas Wahrheit (German Edition)
Moment, wo jemand einen tödlichen Überfall plante? Gott, was willst du von mir? Habe ich nicht schon genug gegeben, flüsterte sie still.
Er fragte sich, worüber Hanna nachdachte. Es gelang ihm einfach nicht, ihre Worte mit ihren Handlungen in Einklang zu bringen. Suchte sie nach einem Weg, ihn zu täuschen? Ihre Stimme hatte bei dem letzten Wort versagt. Zufall. Weil ihr klar geworden war, dass sie damit bei ihm nicht durchkam? Dass es mehr brauchte, um ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen? Was aber, wenn sie die Wahrheit sagte? Konnte es solche Zufälle überhaupt geben? Oder war das Schicksal, dem sich niemand entziehen konnte? Ein Gott, der einen Menschen vor eine Herausforderung stellte, nur um zu sehen, was dann passierte? Die Menschheit als ein großes Labor voller Experimente? Verwirrt hielt er inne. Er musste aufhören, sich von seinen Gefühlen für sie leiten zu lassen.
„Wieso sollte Medicares ein Projekt, das sie mit ihrer Stiftung unterstützen, zerstören?“
Fast die gleiche Frage hatte er Oberst Hartmann damals in Nairobi gestellt. Er entschied sich, ihr die Wahrheit zu sagen.
„An dem Tag sind nicht nur die Dorfbewohner ums Leben gekommen, sondern auch Dr. Frederike Schneider, die Leiterin der Forschungseinrichtung der Medicares-Stiftung in Nigeria.“ Er beobachtete sie genau.
Sie rieb sich die Schulter, runzelte die Stirn. Lag darin der Schüssel, dachte Hanna. Schon einmal hatte ihr Stiefvater die Inhaltsstoffe von Medikamenten verändert, um mehr Profit zu machen. In Deutschland stand Medicares unter Beobachtung, was, wenn sie in Afrika etwas gemacht hatten, was viel schlimmer war? So schlimm, dass sie alle Beweise hatten beseitigen müssen, einschließlich der Leiterin der Forschungseinrichtung? Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken. Armin hatte bei der Veranstaltung heftig reagiert. Für jemanden, der ihn nicht kannte, war das kaum zu erkennen, aber sie wusste die Körpersprache von Armin zu deuten. An dem Abend hatte sie es auf seine Beschützerinstinkte gegenüber ihrer Mutter geschoben. Jetzt war sie sich nicht mehr sicher. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Die Reaktion von Lukas heute Morgen kam ihr ebenfalls in den Sinn. Auch er hatte ungewöhnlich heftig reagiert, was sie seinem Alkoholkonsum in die Schuhe geschoben hatte. Seine Worte gewannen auf einmal eine ganz neue Bedeutung.
Sie hob den Blick und sah den Mann an, der ihr gegenüber saß. Wie sollte sie einem solchen Menschen vertrauen? Nein, sie musste selber herausfinden, was dort unten passiert war, und dann entscheiden, was die nächsten Schritte für sie sein würden.
Major Wahlstrom konnte fühlen, wie er von Hanna abgewehrt wurde. Diese Frau war in ihren Handlungen und Worten so widersprüchlich, dass sie für ihn ein Rätsel blieb. In ihrer Bildercollage sprach sie ganz offen über den Tod des Jungen und verurteilte, was passiert war. Warum also wollte sie ihm nicht helfen? Auch in ihrer Show gestern war sie provokativ gewesen. Sie hatte den Tod von Menschen in Bildern, Musik und Fakten aufgezeigt. Ihre Bilder waren Bilder von dem Dorf gewesen. Deutlicher hätte sie nicht ausdrücken können, dass sie wusste, was dort unten geschehen war und wer dafür verantwortlich ist. Der Stresspegel am Tisch war deutlich spürbar gewesen. Oder ihr Entschluss, erst verschwinden zu wollen, um sich dann doch zur Familie zu gesellen. Welche Absicht steckte dahinter? Er betrachtete sie nachdenklich und überlegte, welcher Schritt ihn weiterbringen würde.
„Dein Stiefvater war schon einmal in einen Medikamentenskandal verwickelt. Was, wenn er es ein zweites Mal ist?“
Sie senkte den Kopf, pickte Krümel mit den Fingerspitzen auf und schob sie sich in den Mund.
„Nehmen wir einmal an, ich wüsste, was dort unten passiert ist. Was dann?“
Es war ein Ziehen in der Magengegend, das er verspürte. Ein bitterer Geschmack machte sich in seinem Mund breit.
„Du hast ihn schon einmal ans Messer geliefert bei dem Medikamentenskandal, mach es einfach ein zweites Mal. Besorg die Informationen, die wir brauchen, den Rest erledigen wir.“
„Ich dachte, alles wäre in Nigeria zerstört worden?“
„Alle Daten der Unternehmen, an denen Medicares beteiligt ist, einschließlich der Stiftungen, laufen hier im Rechenzentrum in Deutschland zusammen.“
„Ich verstehe. Ich bin Fotografin, keine Computerspezialistin.“
„Keine Sorge, wir erledigen das Technische, wenn du uns Zugang verschaffst.“
„Und
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