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Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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gelernt, dass es viele Fragen gab, die niemand beantworten konnte. Sicherer war es, wenn sie sich an ihre Bilder hielt. Mit ihren Fotos konnte sie den Menschen andere Länder und Kulturen nahebringen. Vielleicht konnte sie damit sogar Respekt oder Verständnis für die Andersartigkeit der Menschen erwecken. Sie wusste, dass es ein idealistischer Gedanke war, den sie hegte. Geld und Macht regierte die Welt, der Leitspruch ihres Stiefvaters. Sie verzog das Gesicht, als hätte sie Zahnschmerzen.
    Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihrem Gedankenkarussell. Hannas Puls beschleunigte sich, ihre Hand rutschte unter das Kopfkissen. Erneute klopfte es. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. In den letzten Stunden war einfach zu viel passiert.
    „Hanna, bist du noch wach?“, flüsterte jemand leise an der Tür. Harry, der vermutlich trotz dem ganzen Wein nicht schlafen konnte. Das nächste Klopfen.
    „Warte“, flüsterte sie und fragte sich gleichzeitig, weshalb sie nicht laut gesprochen hatte. Hastig schlüpfte sie in ihre Jogginghose. Sie öffnete die Tür und erstarrte. Es war nicht Harry, der davor stand, sondern der Mann, der ihr den Chip abgenommen hatte. Mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht stand er da, diesmal in leichten Jeans, einem schwarzen T-Shirt und einer schwarzen Kapuzenjacke. Sie unterdrückte ihren ersten Impuls, die Tür ins Schloss zu werfen. Das würde bei dem Typen nichts nutzen.
    Die Arme vor der Brust verschränkend starrte sie ihn finster an. „Ich habe keinen weiteren Chip.“
    „Ich weiß.“ Er blickte sich kurz im Flur um, sah sie dann wieder an. „Darf ich reinkommen?“
    Ihre Augen glitten zu seinen Händen, die in den Jackentaschen steckten. Ihr Blick blieb an ihnen hängen. Er zog sie heraus und klopfte leicht auf die Taschen. Dann weitete er die Jacke, sodass sie seinen Körper sah, und drehte sich einmal langsam im Kreis. Ihr war klar, er wollte ihr zeigen, dass er unbewaffnet war. Was ihn nicht weniger gefährlich machte. Sie hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte. Sie versuchte, den Inhalt ihres letzten Chips Revue passieren zu lassen. Was konnte auf den Bildern zu sehen sein, sodass er in Zivil zu ihr ins Hotel kam? Ein ungeheuerlicher Gedanke ließ ihr das Blut stocken. Was, wenn er hier war, um sie zu töten? Durch ihren Körper schoss Adrenalin und versetzte sie in Spannung.
    Ein amüsiertes Grinsen zeigte ihr, dass er anscheinend mühelos ihre Gedanken las. „Schön, dass du vorsichtiger geworden bist. Aber wenn ich hergekommen wäre, um dich zu erledigen, würde ich bestimmt nicht hier im Flur stehen, freundlich an deiner Tür klopfen und warten, bis mich einer der Hotelgäste sieht.“
    Eine hauchfeine Röte bildete sich auf Hanna Rosenbaums Wangen. Das war ein dummer Gedanke gewesen. Sie blockierte weiterhin ihre Tür.
    „Mache ich einen so beängstigenden Eindruck auf dich, dass du mich nicht reinlässt?“
    „Ja.“
    „Also gut, dann nicht.“ Er drehte sich um. „Ich dachte, du wolltest vielleicht die Bilder zurückhaben, die nichts mit dem Überfall zu tun hatten. Aber wenn dich das nicht interessiert.“ Er zuckte mit den Achseln.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Natürlich wollte sie ihre Bilder zurückhaben. „Halt.“
    Er drehte sich wieder zu ihr, die Augenbrauen fragend in die Höhe gezogen. Statt etwas zu sagen, ließ sie die Tür frei, ging in ihr Zimmer zurück und setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett. Sie hörte, wie er die Tür schloss, und schon stand er in ihrem Zimmer, das auf einmal beängstigend klein wirkte. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, zog sie den Laptop auf ihren Schoß.
    Stille war etwas, das Hanna normalerweise nichts ausmachte. Heute beschleunigte sie ihren Puls. Ihre Anspannung würde ihm nicht verborgen bleiben.
    Ein neues Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. Ihre Angst schien ihn zu amüsieren.
    Grimmig biss sie die Zähne zusammen und streckte ihm auffordernd die Hand entgegen, um den Chip zu erhalten. Er bewegte sich langsam, nahm den einzigen Stuhl im Zimmer, zog ihn zum Bett und stellte ihn rittlings hin, bevor er sich darauf setzte. Der Stuhl zwischen ihnen reichte, um sich nicht mehr von ihm bedroht zu fühlen. Seine Arme auf die Lehne gestützt, sah er sie aufmerksam an.
    Sie fokussierte den Mann mit schmalen Augen, was den gleichen Effekt für sie hatte, als wenn sie sich durch das Objektiv ihrer Kamera auf einen Gegenstand konzentrierte. Kein Gesicht war komplett symmetrisch, doch saß das

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