Hannas Wahrheit (German Edition)
zumindest seit sie mit Armin verheiratet war. Die Familie gehörte zu den besten Freunden von Armin Ziegler, die es in seinem Kielwasser zu großem Reichtum gebracht hatten. Sie mochte Susan nicht. Susan Paxton war ein Mensch, der aus dem Vollen schöpfen konnte, ständig über ihr furchtbares Leben jammerte und dabei Champagner schlürfte.
„Ich wollte Wein holen, möchtest du auch etwas?“, bot sie an, in der Hoffnung, wenigstens für einen Moment Luft holen zu können.
„Ach, Schätzchen, das ist nett von dir, aber lass uns doch Philip losschicken, dann können wir Frauen noch ein wenig plaudern. Du kennst doch noch Philip, meinen Neffen?“
Ein blonder Mann, etwas älter als sie, tauchte an der Seite von Susan auf und lächelte ihr freundlich zu. „Tantchen, ich glaube nicht, dass mich Hanna noch kennt. Wir sind uns nur zweimal begegnet. Das erste Mal hat sie mich als arroganten, weichgespülten Bubi bezeichnet und mich in den Swimmingpool geschubst. Das zweite Mal hat sie noch nicht mal diese Aufmerksamkeit an mich verschwendet.“
„Swimmingpool?“ Hanna Rosenbaum musterte den jungen Mann. Er lächelte charmant.
„Auf der Hochzeit von Armin und deiner Mutter, richtig, Silvia?“
„Oh ja, ich erinnere mich dunkel daran“, antwortete ihre Mutter und kniff Philip Bornstedt ein Auge. Hanna zuckte die Achseln.
„Entspann dich, hier ist soweit ich weiß kein Becken in der Nähe.“
Es war das Lachen von Silvia und Susan, das in ihr das Misstrauen weckte, dies könnte keine zufällige Begegnung sein. Philip holte Wein, und sie blieben zusammen stehen. Sie erfuhr, dass Philip seit diesem Jahr im Wirtschaftsministerium arbeitete und dort für Außenwirtschaftspolitik zuständig war. Seine Abteilung war verantwortlich für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Amerika und Afrika. Da Medicares, das Unternehmen ihres Stiefvaters, in diesen Ländern stark engagiert war, war Philip Bornstedt ein häufiger Gast im Hause ihrer Mutter. Wie praktisch, dachte Hanna, so gab es bestimmt gute Möglichkeiten für Armin Ziegler, die Politik für seine wirtschaftlichen Interessen zu nutzen. Natürlich kannte auch Philip Bornstedt die Geschichte von dem Massaker in dem nigerianischen Dorf. Außerdem hatte er den soeben erschienenen Artikel von Harald Winter im National Geografik gelesen, der den Nachruf auf Ochuko Mutai enthielt, sodass es reichlich Stoff für Gespräche gab.
Während Silvia Ziegler, Susan Paxton und Philip Bornstedt redeten, nippte Hanna Rosenbaum an ihrem Wein und hörte zu. Die Nachfrage von Philip Bornstedt, bei was für einem Unfall ihr Fahrer ums Leben gekommen war, ließ eine Pause entstehen. Sie wusste nicht mehr, was Harry in seinem Artikel geschrieben hatte. Der Flug lag in ihrer Erinnerung wie in einem Nebel. Der Gong, der das Ende der Pause ankündigte, ersparte ihr die Antwort.
„Weißt du was, Hanna? Ich tausche mit Philip den Platz, dann kannst du dich noch ein wenig mit ihm unterhalten, und ich habe Zeit, mit Susan zu tratschen“, kam der Vorschlag ihrer Mutter. Bevor sie etwas einwenden konnte, waren die beiden verschwunden und ihr blieb nichts anderes übrig, als mit Philip Bornstedt zusammen die Treppe hochzugehen.
„Was für ein abgekartetes Spiel“, beschwerte sich Hanna Rosenbaum. Ihr war klar, was da lief. Ihre Mutter hatte es sich zur ihrer Kernaufgabe gemacht, Normalität in Hannas Leben zu bringen. Zu dieser Normalität zählte für Silvia ein fester, sicherer Job, die Nähe zur Familie, ein Ehemann, ein paar Kinder, das volle Programm eben.
„Um ehrlich zu sein, von uns dreien“, gab Philip Bornstedt lachend zu. „Ich dachte mir schon, dass du es durchschaust. Es ist ziemlich schwer, an dich heranzukommen, und das, obwohl meine Tante die beste Freundin deiner Mutter ist.“
Verblüfft von seiner Offenheit blieb sie stehen und kniff die Augen zusammen. „Was willst du?“
„Möchtest du den zweiten Teil des Konzerts noch hören? Wenn nicht, würde ich dich gerne zum Essen einladen, dann könnten wir uns netter unterhalten.“
„Ich möchte den zweiten Teil hören.“
An seinem Gesicht erkannte sie, dass er nicht zu den eingefleischten Liebhabern der klassischen Musik zählte. Das gefiel ihr, so musste er wenigstens ein bisschen für seine Intrige leiden. Allerdings konnte auch sie den zweiten Teil nicht mehr so genießen wie zuvor.
Nach dem Konzert bekam ihre Mutter leichte Kopfschmerzen, sodass sie das Essen mit ihrer Tochter absagte. Auch Susan Paxton
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