Hannas Wahrheit (German Edition)
nickte.
„Dann gib mir mal dein gutes Stück.“
„Sicher?“
Er grinste, warf einen Blick zu Nina, die bereits unruhig auf dem Stuhl rutschte. Sie klatschte in die Hände wie ein kleines Kind. „Genial, ich hatte schon die ganze Zeit den Verdacht, dass die Idee nicht auf Viktors Mist gewachsen ist.“
Kurz darauf zogen sich die beiden in das Arbeitszimmer von Viktor zurück. Sie beseitigte die Spuren des Abendessens, dann rollte sie sich auf der Couch zusammen.
Major Wahlstrom teilte sich beim BKA ein Raum mit drei anderen Beamten. Zwei untersuchten einen anderen Fall, Sven Brinkmann hingegen war mit ihm an der Sache Ziegler dran, wie der BKA-Beamte es nannte. Für Major Wahlstrom war es ungewohnt, mit zivilen Personen zusammenzuarbeiten. In ihrer militärischen Einheit waren sie ein Team, das sich blind auf den anderen verlassen musste. Sie kannten manchmal ihre gegenseitigen Macken besser als viele Ehepaare, die Jahrzehnte miteinander verheiratet waren. Mitunter genügte schon ein Blick zur Verständigung, und einigen von ihnen verdankte er sein Leben. Es herrschte strikte Disziplin, die körperliche Ertüchtigung war für sie überlebenswichtig. Niemand schlampte bei seiner Arbeit, denn das konnte das Leben eines Kameraden kosten. Diese enge Verbundenheit war es gewesen, was seine letzte Beziehung zu einer Frau hatte scheitern lassen. Sie hatte von ihm lediglich gewusst, dass er Soldat war, nicht mehr. Er konnte mit ihr über nichts reden, was seine Arbeit betraf, er konnte keine Erlebnisse von seinen Einsätzen teilen oder über seine Gefühle sprechen, ob ihre Aktion gescheitert oder erfolgreich war, selbst wenn sie im letzten Moment gerade noch dem Tod entronnen waren. Seine Distanz, die Vorsicht in seinen Äußerungen war von ihr als mangelndes Vertrauen gewertet worden. Später warf sie ihm vor, dass er sie betrügen würde, sie kaufte es ihm nicht ab, dass er ständig im Einsatz war.
Irgendwann waren für Wahlstrom seine Kameraden der Ersatz für eine Beziehung geworden. Hier in Berlin vermisste er diese Männer und Frauen. Außerdem fehlten ihm der Kick und das Adrenalin, das sowohl bei der Vorbereitung eines Auftrags, als auch bei der Durchführung durch seine Adern pulsierte. Die Männer vom BKA teilten die gemeinsame Arbeit, einige waren auch miteinander befreundet. Aber genauso besaßen sie ein Privatleben. Sie gingen abends nach Hause zu ihren Frauen, Kindern oder dem Leben, das sie führten.
Sven Brinkmann war ein netter, offener Typ, er war gerade Vater geworden. Das Foto der Tochter kannte er natürlich schon. Sven Brinkmann hatte ihm eine Einweisung in die Software gegeben, die sie beim BKA benutzten. Die Berechtigungen für ihn waren allerdings eingeschränkt. Es gab ein System für die internationale Zusammenarbeit und für den Verbrechensaustausch. Eine weitere Software betraf nationale Fälle, bei dem das BKA mit den Dienststellen der Landes- und Bundespolizei zusammenarbeitete.
Die Akte von Armin Ziegler war umfangreich. Da war die Spendenaffäre um den Berliner Oberbürgermeister, das lag zwanzig Jahre zurück. Ein Verfahren zu einer Patentrechtsverletzung mit der Firma Böhringer. Ein Gerichtsurteil wegen nicht korrekter Auszeichnung der Inhaltsstoffe eines Schmerzmittels vor zwölf Jahren. Danach weitere Unregelmäßigkeiten bei den Prüfberichten für die Medikamentenzulassung. Außerdem stand er im Verdacht einer Wirtschaftsorganisation anzugehören, die versuchte die Rohstoffmärkte zu manipulieren. Letzteres stand im Fokus der aktuellen Untersuchungen und dabei gab es verschiedene Ansätze. Eine Gruppe durchforstete die Bilanzen, Wirtschafts- und Presseberichte. Eine zweite Einheit beschäftigte sich mit den Produkten von Medicares und deren Positionierung auf dem Markt. Das dritte Team untersuchte die Aktivitäten der Familie in den verschiedenen Verbänden und überwachte einzelne Personen. Zu diesem Team gehörte Major Wahlstrom. Jeder von ihnen musste am Ende des Tages einen Bericht schreiben, einmal pro Woche gab es ein Meeting, wo sie über den Stand der einzelnen Gruppen unterrichtet wurden. Die bisherigen Ergebnisse waren mager.
Wahlstrom fragte sich, wie er herausfinden konnte, wer in dem Haus wohnte, in dem Hanna verschwunden war.
„Sie hat es schon wieder gemacht. Ist einfach verschwunden. Wenn dieses Miststück nichts auf dem Kerbholz hat, fresse ich einen Besen“, verärgert warf Sven Brinkmann seine Jacke über den Stuhl.
Major Wahlstrom sah vom
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