Hannas Wahrheit (German Edition)
Bildschirm auf und sah Brinkmann an, der sich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen ließ. Ihre Schreibtische standen sich direkt gegenüber. „Meinst du mit dem Miststück Hanna Rosenbaum?“
„Wen sonst. Robert konnte heute Morgen zusehen, wie sie mit dem Fahrrad loszog. Seitdem ist sie nicht wieder zu Hause aufgetaucht. Zehn Stunden, was macht diese Frau zehn Stunden lang, kannst du mir das mal sagen? Erst verbarrikadiert sie sich in ihrer Wohnung, dann verschwindet sie.“
„Ich weiß, wo sie ist“, erklärte Wahlstrom ruhig.
„Ach ja, wieso? Bist du unter die Hellseher gegangen?“
„Nein, ich war joggen, und da kam sie mit dem Fahrrad durch den Treptower Park. Sie ist in das Haus in der Defreggerstraße 18 reingegangen“, gab er Brinkmann die Fakten.
„Du meinst, sie hat jemanden besucht?“
„Nein, sie hatte einen Schlüssel für die Außentür“, präzisierte Wahlstrom seine Angaben.
Sven Brinkmann pfiff leise durch die Zähne. „Dann haben wir wohl unsere unbekannte Variable gefunden.“
„Kannst du herausfinden, wer in dem Haus wohnt und was sie beruflich machen?“
„Klar, das ist mein Job. Ich krieche nicht durch den Dreck und knalle Leute ab.“
Major Wahlstrom verzog das Gesicht. Brinkmann grinste ihn an stand auf und boxte ihn freundschaftlich auf den Arm. Während er zu dem Schrank hinter seinen Schreibtisch ging, einen Stapel Akten herausnahm und sie ihm auf seinen Tisch warf. „Ich gebe dir jetzt mal ein Tipp von einem BKA-Mann zu einem Soldaten. Schau dir die Akten an. Bisher hast du dich ja vor dem Papierkram gedrückt. Aber du kannst viel über diese Familie Ziegler lernen, wenn du dir ihre Vergangenheit anschaust. Und vielleicht verstehst du dann auch, warum du Hanna Rosenbaum mit Vorsicht genießen solltest.“
Wahlstrom schlug den ersten Aktenordner auf. Das erste Blatt enthielt fein säuberlich die Daten eines tot aufgefundenen Mannes.
Brinkmann, der ihm über die Schulter geschaut hatte, zog die Akte weg und holte die unterste hervor. „Damit musst du anfangen, mit der Entführung, die zwei Morde kamen später.“ Er machte eine Pause. „Wenn ich mir überlege, wie verflixt raffiniert dieses Weibsstück ist, könnte ich mir fast vorstellen, dass sie selbst die Typen umgebracht hat. Das würde sogar erklären, warum sie immer dichtgehalten hat, obwohl sie und ihr Stiefvater sich nicht leiden können.“ Er verstummte, legte den Kopf schief, dann schlug er Wahlstrom auf die Schulter. „Behalt das mal im Auge, wenn du alles durchliest.“
Während Sven Brinkmann seine Jacke schnappte und aus dem Büro verschwand, öffnete er zögernd die Akte. „Entführung Hanna Ziegler“, sprang ihm als Erstes in die Augen. Sein Magen verknotete sich, er schluckte schwer und begann zu lesen.
Vergangenheit
H anna wachte früh am Morgen auf der Couch in Viktors Wohnung auf. Diesmal hockte kein Viktor vor ihr und hielt ihr einen Becher heißen Kaffee vor die Nase. Ihre Erinnerung an den gestrigen Abend kehrte zurück. Sie war wach geworden, als die beiden sich kichernd vom Arbeitszimmer in Richtung Schlafzimmer bewegt hatten. Dann war das Kichern verstummt und anderen Lauten gewichen. Nina gehörte zu den Frauen, die dabei laut waren. Obwohl Viktor ihr öfter die Hand auf den Mund legte, was sie an dem Unterschied zwischen dem normalen Stöhnen zu dem gedämpften heraushörte. Gerne wäre sie aus der Wohnung geflüchtet, doch zweierlei sprach dagegen. Erstens wollte sie ihren Laptop mitnehmen, zweitens wäre es ihr peinlich gewesen, beim Lauschen erwischt zu werden.
Und eigentlich gab es noch einen dritten Grund. Sie wollte heute Nacht nicht alleine sein. In ihr steckte eine tiefe Angst, die sie weder in Worte fassen konnte, noch verstand. Es war, als würde sich etwas in Bewegungen setzen, das sich nicht mehr aufhalten ließ, egal wie sehr sie sich bemühte. Sie brauchte die Nähe zu einem Menschen, der ihr vertraut war. Zu ihrer Mutter konnte sie nicht gehen, denn dort lebte Armin. Und bei Marie gab es Lukas. Der Einzige, den es noch gab, war Viktor, und auch er begann gerade mit einem eigenen Leben. In ihre Grübelei vertieft, war sie irgendwann in einen unruhigen Schlaf gefallen.
Hanna stand auf, faltete die Decke ordentlich zusammen und verschwand im Bad. Dort gab es eine Zahnbürste für sie, zumindest hatte es sie vor ihrem letzten Auftrag gegeben. Es gab sie immer noch, ein tröstlicher Gedanke, dass sich noch nicht alles verändert hatte. Viktor musste bei seinem Job
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