Hannas Wahrheit (German Edition)
Weißwein, das von der Kälte des Getränkes leicht beschlagen war.
„Bist du mit Hanna da?“ Ihre hellen blauen Augen sahen ihn fragend an, sie enthielten bereits die Antwort. Vorsichtig nippte sie an ihrem Wein, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er grinste sie an. „Geht Hanna auf solche Veranstaltungen?“
Marie lachte amüsiert auf. „Touché.“
Wahlstrom fühlte sich beobachtet. Er ließ seinen Blick schweifen und sah, nicht weit von ihnen entfernt, Lukas Benner. Er saß an einem runden Tisch, zusammen mit anderen Personen. Major Wahlstrom lächelte, besser hätte er es nicht arrangieren können.
„Es scheint, als würde dich jemand vermissen.“
Marie wandte sich um, hob das Weinglas hoch und prostete ihrem Mann zu. „Mein Mann, er vermisst mich nicht, er kontrolliert mich bloß.“ Auf ihrem Gesicht erschien ein Schatten, der verschwand, als sie ihre Augen über die restliche Gruppe am Tisch schweifen ließ. Sie blinzelte ihm zu. „Übrigens sind meine Eltern auch da und Philip, den du ja bereits kennst, wie ich festgestellt habe. Es scheint eine Marotte von dir zu sein, dich ungefragt in ein Essen einzuklinken.“
„Wenn ich mich recht entsinne, hattest du nicht wirklich etwas dagegen.“
„Mutig genug, meine Eltern kennenzulernen?“
„Wieso, brauche ich dafür Mut?“
„Immerhin gehört meinem Vater ein Unternehmen, das ihn auf die Liste der hundert reichsten Männer in Deutschland gebracht hat.“
„Und? Macht ihn das zu einem gefährlichen Menschen?“
„Nein, nur zu einem Respekt einflößenden.“ Sie machte eine Kunstpause, um seine Reaktion einzuschätzen. Das Ergebnis schien sie nicht zufrieden zu stellen.
„Komm, ich bin neugierig, was meine Eltern von der neuesten Eroberung Hannas halten.“
„Der neuesten?“
Sie grinste spitzbübisch. „Ich vergaß, sie kannte dich ja vor Philip und hat das sogar ganz alleine hinbekommen.“
Er trank einen kräftigen Schluck von seinem Bier. Was Marie einen zufriedenen Ausdruck ins Gesicht zauberte. „Findest du, ich denke schlecht von meiner Schwester?“
„Ich denke, du unterschätzt sie.“
„Nein, ich unterschätze sie nicht. Ich kenne sie seit neunundzwanzig Jahren, fast dreißig, um genau zu sein. Schließlich haben wir uns den Platz im Bauch geteilt. Sie gehört nicht zu den Menschen, die leicht Freundschaften schließen. Das macht dich in gewisser Weise äußerst interessant.“
Er fühlte sich mit einem Mal nicht mehr wohl in seiner Haut.
Sie lachte hell auf. „Jetzt habe ich dir Angst gemacht. Komm, ich bringe dich zu meinen Eltern.“ Sie hakte sich bei ihm ein und manövrierte ihn zu dem Tisch. Er erkannte neben Lukas Benner Armin und Silvia Ziegler, Philip Bornstedt, und neben Philip Bornstedt eine dunkelhaarige Frau, etwa im Alter von Silvia Ziegler.
„Darf ich euch Major Ben Wahlstrom, einen Freund von Hanna, vorstellen?“
Die Zieglers sahen ihn verblüfft an. Philip Bornstedt lächelte, als hätte er Zahnschmerzen, und die unbekannte Frau musterte ihn distanziert. Marie ließ sich in ihrer Vorstellung davon nicht beirren. „Meine Mutter, Silvia Ziegler, ihr Mann Armin Ziegler“, sie wies auf ihre Eltern. Höflich schüttelte er deren Hände.
„Mein Mann, Lukas Benner.“
Braune, kalte Augen nahmen Wahlstrom ins Visier. Ein fester Händedruck, die Miene von Lukas war für ihn unergründlich. Ein Mann, der seine Gefühle gut verbergen konnte. Noch nie war er dem Ehemann von Marie so nah gewesen.
„Die beste Freundin meiner Mutter, Susan Paxton, und Philip, ihren Neffen, kennst du ja.“
„Hallo, Ben, na, hast du dich mit Hanna schon geeinigt?“, begrüßte ihn Philip.
„Noch nicht ganz“, erwiderte er.
„Ben möchte Hanna für eine Aufklärungskampagne der Bundeswehr zum Thema Aids gewinnen“, fügte Philip erklärend für die anderen hinzu.
„Sie haben eine talentierte Tochter“, wandte sich Major Wahlstrom mit einem charmanten Lächeln an Silvia Ziegler. „Ihre Bilder sind wirklich beeindruckend. Sie schafft es auf eine gefühlvolle Art, die Fragen rüberzubringen, die mit dem Thema zusammenhängen.“ Er zeigte auf die Plakate an den Wänden.
„Ein wenig bedrückend, wie ich finde.“, merkte Susan Paxton an. Sie nahm eine Flasche Weißwein aus einem Kühler und schüttete sich ihr Glas voll. „Lukas, mein Darling, du weißt, womit du Frauen glücklich machen kannst“, gurrte sie, die Flasche in seine Richtung schwenkend, und Lukas Benner schenkte ihr ein tiefes Lächeln.
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