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Hannes - Falk, R: Hannes

Hannes - Falk, R: Hannes

Titel: Hannes - Falk, R: Hannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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kommen, als der Klaus Schnauzbart erschien. Der kam nämlich grade dazu, als ich sagte: »Ja, dann komm schon, aber beeil dich, weil ich zur Schicht muss.« Da ist der Schnauzbart zu uns hergekommen und hat gesagt: »Lassen Sie mal, Uli. Ich bring Ihren Freund schon hinauf zu seinem Freund«, hat den Rick untergehakt und so sind sie einträchtig nebeneinanderins Krankenhaus marschiert, die zwei Bärte. Mensch, der Rick wird sich freuen, wenn er sich jetzt wieder rasieren kann. Sonst ist eigentlich nix passiert. Werde am Wochenende mal zum Baggersee rausfahren, die Wassertemperatur ist jetzt perfekt.
    Montag, 17.07.
    Jetzt ist alles ganz anders. Es ist kurz vor halb eins in der Nacht und ich sitze hier in der Küche des Vogelnestes und schreibe dir diese Zeilen, mein Freund. Obwohl mir das Herz schwer ist und ich kaum weiß, wie ich klar denken soll. Aber alles der Reihe nach. Habe gestern schön ausgeschlafen, geduscht, gefrühstückt und ein wenig in den Tag hineingetrödelt. Da war auch noch alles in Ordnung. Am späten Nachmittag bin ich ins Krankenhaus gefahren, und da habe ich schon im Korridor gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Deine Mutter stand dort und hat geweint, und der Dr.   Schnauzbart hatte die Hand auf ihrem Arm liegen. Beide haben kein Wort gesprochen. Ich bin hingerannt und hab gefragt, was zum Henker denn los ist. Als ich deine Zimmertür aufmachen wollte, hat mich der Schnauzbart am Arm gepackt und gesagt, es ginge jetzt nicht, dass ich da reingeh. Ich hab gesagt, das werden wir ja sehen, ob das geht, und habe am Türgriff gezerrt. Aber die verdammte Tür war nicht zu öffnen. Als ich dann durch das kleine Fenster lugte, sah ich, dass der ganze Raum eingenebelt war und eine Maschine immer neuen Dunst erzeugte, der genau auf dein Gesicht gerichtet war.
    Der Schnauzbart hat gesagt, dass bei dir nun eine schwere Lungenentzündung dazugekommen ist und dass niemand zudir reindarf, um dich nicht durch Keime oder so was in noch größere Gefahr zu bringen. Er hat gesagt, die Situation sei ernst wie nie, und dass er nicht wisse, ob du die Nacht überlebst. Deine Mutter stand da und hat geweint. Der Schnauzbart stand da und hat sie getröstet. Und ich stand da, gaffte durchs Fenster und sah den Nebelschwaden nach, die sich an der Decke fingen. Das war, wie gesagt, gestern Abend. So genau weiß ich eigentlich nicht, was weiter passiert ist. Kann mich nicht wirklich daran erinnern.
    Irgendwie ist aber unser ganzes Leben an meinem geistigen Auge vorbeigezogen. Genau so, wie man es manchmal hört von Menschen, die kurzzeitig schon klinisch tot waren. Genau so ist es bei mir gewesen, Hannes. Ich hab mich an jede Episode aus unserer gemeinsamen Vergangenheit erinnern müssen. Selbst an völlig unwichtige Kleinigkeiten. Alles ist mir durch den Kopf gegangen, völlig unkontrolliert, und ich kann noch nicht einmal genau sagen, wie lange das alles gedauert hat. Ganz dunkel entsinn ich mich, dass immer und immer wieder ein schrilles Piepsen aus deinem Zimmer ertönte und der Schnauzbart samt Eskorte, eingehüllt in grünes Plastik, zu dir rein ist. Und ich kann mich dran erinnern, dass ich durchs Fenster hindurch dem Nebel hinterhergeschaut hab; den milchigen Schwaden, wie sie in Zeitlupe nach oben zogen und   – langsam die Form verändernd   – schließlich in der Zimmerdecke verschwunden sind. Dich, Hannes, hab ich nicht gesehen, der Nebel hat dich komplett verdeckt, quasi aufgefressen mit Haut und Haaren und all deinen Schläuchen. Ob ich was gegessen hab oder auf dem Klo war, kann ich nicht sagen. Ich kann mir auch kaum erklären, wie ich an dem kleinen Fenster so viele Stunden gestanden habe.
    Das Nächste jedenfalls, was wieder in meiner Realität geschah, war heute Abend. Es war heute Abend, so um acht, als die Walrika mich am Ärmel gezerrt hat und mich ansprach. Sie hat mich bei Beginn der Nachtschicht vermisst, dann bei mir zu Hause angerufen und schließlich den einzig richtigen Rückschluss gezogen, dass ich bei dir sein musste. Mit einem miesen Trick hat sie mich dort weggeholt, indem sie mir gesagt hat, ich werde im Vogelnest dringend gebraucht. Und zwar mehr als von dir, Hannes. Denn du seist dort sowieso in den allerbesten Händen und ich könne jetzt gar nix tun. Für die Leute im Vogelnest aber könnte ich sehr wohl etwas tun, und zwar sofort.
     
    Als wir hier angekommen sind, hat sie mir Brote geschmiert und Milchtee gekocht. Und ich habe ihr unser Leben erzählt, mein Freund. Sie war tapfer.

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