Hannes - Falk, R: Hannes
Gelegenheit finde, dir wieder zu schreiben, mein Freund. Aber die Zeit vergeht hier wie im Fluge. Was zum einen daran liegt, dass wir echt viel zu tun haben, das Haus ist ja seit Jahren verwaist. Zum anderen liegt es daran, dass ich auch sehr viel schlafe. Ich schlafe hier wie ein Murmeltier, und das nicht nur nachts, nein, ein kleines Mittagsschläfchen in der Hängematte im Schatten der Bäume ist unumgänglich.
Wir haben zwei Frauen hier, die uns helfen. Sie heißen Marina und Zina, sind Mutter und Tochter und richtig klasse. Die beiden stammen aus Kroatien, sind ohne männlichen Anhang, und die Zina, glaub ich, hat ein Auge auf den Flori geworfen. Jedenfalls spekulieren ihre Mutter und ich heimlich darüber und amüsieren uns großartig. Wir haben hier ziemlich viel geschafft, der Flori hat den Garten fest im Griff. Er redet zwar immer noch nicht viel, aber doch ein bisschen, weil er halt manchmal ’ne Frage hat oder so. Nach dem Abendessen fahren die zwei Damen dann nach München zurück, und der Flori und ich trinken ein kühles Bier am Ufer unten. Er hat in einem der Gartenhäuschen (insgesamt sind es drei) einen alten Kahn entdeckt und zum See runtergebracht. Der hat kaum noch Farbe und ist wahrscheinlich auch nicht mehr seetauglich, aber für unsere Zwecke ideal. Den haben wir uns an den Strand gestellt, hocken auf den Sitzbrettern und trinken Bier. Die Wellen klatschen ruhig und gleichmäßig ans Land, die Luft ist gut und der See beruhigt mich. Mir ist dann eigentlich auch nicht zum Reden. Wir ergänzen uns hervorragend, der Flori und ich. Heute ist unser letzterAbend hier, morgen fahren wir zurück. Und ich bin froh und glaub mittlerweile, dass der Plan von der Walrika schon Sinn gemacht hat. Sie hat ja quasi ein Dutzend Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Na ja. Werde jetzt mit dem Flori noch ein Bier trinken und anschließend ins Bett fallen. Aber morgen komme ich als Allererstes zu dir, mein Freund.
Sonntag, 06.08.
Hallo Hannes,
bin nun also wieder zu Hause und durfte heute tatsächlich nach drei langen Wochen zu dir rein. Ich hab mich so gefreut. Der Schnauzbart hat gesagt, ich kann jetzt rein, aber nur kurz und ich soll dich nicht gleich zutexten. Alles Schritt für Schritt, und dass du deine Ruhe brauchst. Also bin ich auf deiner Bettkante gesessen und hab nix gesagt. Oder zumindest nicht viel, hab dich einfach nur angeschaut und deine Hände massiert. Der Schnauzbart hat gesagt, das wird jetzt jeden Tag besser und ich soll Geduld haben. Geduld, immer und immer wieder. Na ja. Jedenfalls kann ich jetzt endlich wieder zu dir rein, und das rettet mein Leben, glaub mir.
War natürlich am Freitag noch kurz im Vogelnest, um den Flori dort abzuliefern, und hab dabei erfahren, dass er heute Geburtstag hat. Er ist jetzt also volljährig. Und das heißt auch, dass er nun selber entscheiden kann, ob er dort bleiben will oder nicht. Bis zu seiner Volljährigkeit hatte das ja seine Großmutter festgelegt. Auch über ihren Tod hinaus. Sie hat bestimmt, dass der Junge ins Vogelnest kommt, wenn sie nicht mehr für ihn sorgen kann, und dass er dort bis zu seinerVolljährigkeit bleibt. Auch das Finanzielle hatte sie sorgsam geregelt. Bin nun gespannt, was er tun wird, der Flori. Ach ja, die Redlich hab ich auch kurz gesehen, die riecht wieder nach Wildrosenessig. Wir siezen uns wieder und die Stimmung ist frostig. Übrigens ist sie zurück zu ihrem Lebensabschnittsgefährten, um weiterhin an den Gemeinsamkeiten zu arbeiten. Na ja. Meine Eltern haben heute Morgen angerufen und gesagt, die Hitzewelle ist vorbei. Gott hat meine Gebete erhört.
Sonntag, 13.08.
Habe die ganze Woche nix geschrieben, war aber jeden Tag bei dir. Mittlerweile bist du so stabil, dass ich dir sogar die Sportberichte wieder vorlesen kann. Das machst du großartig, Hannes. Der Schnauzbart ist auch sehr zufrieden mit dir, er sagt, wir sind jetzt auf dem Stand wie vor deiner Lungenentzündung. Darüber bin ich sehr froh und hoffe, dass es so bleibt. Du siehst, meine Wünsche haben sich der Situation angepasst. Bin einige Male auf den Kalle und die Nele gestoßen, konnte mich aber jedes Mal gut aus der Affäre ziehen. Hab einfach überhaupt keinen Bock auf die beiden, verstehst du das? Bei der Nele kann man jetzt übrigens ganz klar die Schwangerschaft erkennen. Ich frage mich, ob man das schon früher konnte und ich es einfach nicht sehen wollte. Jedenfalls spaziert der Kalle mit der schwangeren Nele nun herum, als sei das die normalste
Weitere Kostenlose Bücher